Das verbotene Eden 01 - David & Juna
Richtplatz hatten sich ein paar Schaulustige versammelt. Sie standen vor den brennenden Scheiterhaufen und sangen Totenlieder. Die Feuer waren bereits so weit heruntergebrannt, dass man die verkohlten Leichen der beiden Männer erkennen konnte. Ihre Habseligkeiten hatte man ihnen abgenommen und zur Abschreckung an Holzpfosten genagelt. Mit dem Rücken an Holzstämme gekettet, standen sie da und starrten aus ihren leeren Augenhöhlen gen Himmel.
Juna wandte sich ab und betrat den Steg, der zur Insel hinausführte. Zarte Nebelschleier lagen über dem Wasser. Die Insel sah aus, als schwebte sie über den Wolken.
Leichtfüßig lief Juna über den Steg und die Treppen hinauf. Oben wurde sie von Zoe empfangen. Die Dienerin machte den Eindruck, als würde sie seit geraumer Zeit nach ihr Ausschau halten. »Deine Mutter erwartet dich bereits«, sagte sie. »Folge mir.«
Arkana befand sich im hinteren Teil des Tempels in Begleitung zweier Priesterinnen, die damit beschäftigt waren, Blumengebinde vor die Füße der drei Göttinnen zu legen. Aus den Schalen mit zerstoßenem Harz stieg weißer Rauch auf. Ein belebender Geruch erfüllte die Halle. Es waren nur noch wenige Tage bis zum Mittsommerfest, und die Vorbereitungen liefen bereits auf Hochtouren.
Zoe ging in die Knie. »Ehrwürdige Mutter, Eure Tochter ist eingetroffen.«
Arkana unterbrach ihre Arbeit und kam auf sie zu. Ihre blanken Brüste schimmerten im Licht der Ölfeuer. An ihren Oberarmen waren Armbänder in Form goldener Schlangen befestigt. Ihre Haare waren zu Zöpfen geflochten, an denen kleine Metallplättchen klingelten. Juna ließ sich ebenfalls auf die Knie sinken. Sie breitete die Arme aus und neigte den Kopf. Diesmal ließ Arkana sie eine Weile in dieser Stellung verharren, ehe sie ihr erlaubte, sich zu erheben.
»Steh auf, Juna, ich habe wichtige Neuigkeiten für dich.« Sie ließ sich ein Gewand überziehen, dann nahm sie Juna bei der Hand und führte sie aus dem Tempel.
Hinter den Hügeln war die Sonne aufgegangen. Goldene Strahlen fielen in die schattigen Täler rings um Glânmor. In der Ferne, dort wo Himmel und Erde zu einem bernsteinfarbenen Streifen verschmolzen, lag die alte Stadt. Mit ein bisschen Phantasie konnte man sogar die Spitzen der schwarzen Kathedrale erkennen.
Arkana führte Juna an einen stillen Ort auf einer der tiefer liegenden Terrassen. Ein paar Weiden standen rund um ein Becken mit Seerosen. Frisches Quellwasser strömte aus den Mündern steinerner Waldnymphen. Arkana deutete auf eine Bank. »Setz dich. Erzähl mir von deiner Reise zum Kreis der Verlorenen.«
Juna nahm Platz und warf einen Blick in die Runde. Sie waren hier vollkommen ungestört. »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, sagte sie. »Ich habe den Kleinen abgeliefert, und das war’s. Ich habe noch gewartet, um zu sehen, wer ihn abholt.«
Arkana fuhr mit der Hand über ihren wertvollen Ohrschmuck. Die goldenen Vögel, die in einem Ring aus goldenen Zweigen saßen, klingelten leise. »Und?«
»Nichts Besonderes. Sie kamen zu zweit und haben ihn mitgenommen.« Juna hatte keinen Schimmer, warum ihre Mutter sich so dafür interessierte.
»Wie sahen sie aus? Waren sie alt?«
»Nein, sie … na ja, wie soll ich sagen … sie sahen eigentlich recht normal aus.«
»Normal? Wie wir?«
»So ähnlich, ja. Sie trugen weite Umhänge mit Kapuzen. Der eine war alt, der andere jung.«
»Wirkten sie freundlich?«
»Ja, schon … der Junge war sogar recht gutaussehend.«
»Ah!« Arkanas Brauen wanderten nach oben. Ein Lächeln umspielte ihren Mund. »Hat er dir gefallen?«
»Mutter!« Juna war entsetzt. Was sollten diese Fragen?
»Die Zeit drängt. Ich wüsste gerne, was der Hohe Rat entschieden hat.«
Arkana straffte ihren Rücken. »Der Hohe Rat hat beschlossen, dass du unter Briannas Befehl mit einer Gruppe von Reiterinnen nach Alcmona aufbrechen und dort für Ruhe sorgen wirst«, sagte sie. »Du wirst zusehen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Die Männer dürfen einen Teil der Vorräte nehmen und empfängnisbereite Frauen beglücken. Alles, was darüber hinausgeht, wird unterbunden.«
»Und die Bestrafung?« Juna versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Die Schuldigen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.«
Arkana schüttelte den Kopf. »Der Rat hat entschieden, es damit bewenden zu lassen. Keine Gewalt.«
»Bei allem Respekt …« Juna fiel es schwer, ruhig zu bleiben, »… aber diese Entscheidung ist
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