Das verbotene Eden 01 - David & Juna
inakzeptabel.«
»Inakzeptabel?«
Um Arkanas Mund spielte ein amüsiertes Lächeln.
»Allerdings«, sagte Juna. Und das Wort kam ihr noch viel zu positiv vor. »Das war dein Einfluss, nicht wahr? Du hast ihnen geraten, auf einen Kampf zu verzichten.«
»Schon möglich.« Arkana wurde wieder ernst. »Was gefällt dir daran nicht?«
»Nun, zum Beispiel, dass wir sie nicht daran hindern dürfen, uns zu bestehlen, dass wir sie nicht bestrafen dürfen, wenn sie uns verhöhnen und mit Geringschätzung überziehen, dass wir, bei allem, was sie uns antun, klein beigeben müssen.«
»Das ist unsere Bürde, meine Liebe, unser Vermächtnis. Der Preis, den wir für unsere Vergehen zahlen müssen.«
»Was für Vergehen, Mutter? Ich verstehe nicht, wovon du sprichst. Ich sehe nur eines: Sie berauben uns, und wir müssen uns fügen. Sie bespucken uns, und wir weichen zurück. Sie treten und sie schlagen uns, und wir dürfen nicht mal die Hand heben, um uns zu verteidigen. Das ist nicht gerecht, Mutter. Bei den Göttern, das ist einfach nicht gerecht.« Juna hatte die Hände zu Fäusten geballt, so wütend war sie. Ihre Mutter verstand nicht, was da draußen los war. Oder sie wollte es nicht verstehen. Es herrschte Krieg, und sie saß hier oben in ihrem Elfenbeinturm und predigte Liebe und Vergebung.
»Ich würde die Götter aus dem Spiel lassen«, sagte Arkana. »Sie haben am allerwenigsten damit zu tun.« Sie sah Juna traurig an. »Ich weiß, dass das alles für dich schwer zu verstehen ist, und doch ist es der Weg, den wir beschreiten müssen. Es ist ein steiniger und dorniger Weg, doch ich versichere dir:
Es ist der einzige.
Das wirst du bald erkennen.« Sie seufzte. »Vielleicht wirst du eines Tages zur Hohepriesterin ernannt. Es ist Tradition, dass die Nachfolger durch ein Gottesurteil aus den Reihen der Brigantinnen erwählt werden. Als meine Tochter hast du gute Chancen, in den engeren Kreis zu kommen. Und wenn es so weit ist, wäre es gut, wenn du möglichst viel von unserer Welt gesehen hast. Und zwar nicht nur das, was grausam und düster ist. Du solltest Dinge erlebt haben, die schön und hoffnungsvoll sind, und du darfst dich nicht von den Rufen nach Krieg und Gewalt beirren lassen. Die Kriegstreiber sind immer die, die am lautesten schreien. Du musst lernen, auf die leisen Stimmen zu hören. Doch darüber können wir ein andermal sprechen. Jetzt rüste dich. Du und deine Kameradinnen, ihr solltet in zwei Stunden aufbrechen. Und es ist ein weiter Weg nach Alcmona.«
8
E s war kurz nach Laudes, als die Glocke das Eintreffen der Heiligen Lanze ankündigte. David beobachtete, wie Amon und seine Freunde zusammen mit den anderen die Kapelle verließen und neben dem Haupttor Aufstellung nahmen. Die Luft war frisch. Überall glitzerten Tautropfen auf den Blättern. David fröstelte. Hinter den Bäumen war die Sonne aufgegangen. Sie warf rote Strahlen über den Himmel.
Wie die Finger eines zornigen Gottes,
ging es ihm durch den Kopf. Er fragte sich, ob es wirklich ein gütiger Gott war, der dort oben wohnte. Worin bestand seine Güte, wenn er zuließ, dass ein Neugeborenes von Wolfshunden getötet wurde? Wo war die vielbeschworene Vergebung, wo die Hoffnung? Und was für einen Sinn hatte das Ganze? Gewiss, die Priester wurden nicht müde, zu betonen, dass all dies nur Prüfungen auf ihrem Weg und die Wege des Herrn unergründlich seien. Aber waren sie das wirklich? Wo lag die Grenze zwischen unergründlich und unsinnig?
Die frühen Morgenstunden waren normalerweise die Zeit, in der David die Nähe zu Gott besonders deutlich spürte. Laudes und Vesper, das Morgen- und das Abendgebet, waren die Angelpunkte des täglichen Stundengebetes. Sie wurden gemeinhin als die vornehmsten Gebetsstunden angesehen. Doch heute fühlte David, dass der Glaube ihm nicht über den gestrigen Verlust hinweghelfen konnte. Der kleine Junge war noch am selben Abend beigesetzt worden, und die Trauerfeier hatte bis tief in die Nacht gedauert. Eine bewegende Zeremonie, die allen vor Augen geführt hatte, wie dünn das Eis war, auf dem sie standen. Ihre Gemeinschaft wurde von Jahr zu Jahr kleiner, und alles, was sie tun konnten, war, sich in die Hände des Herrn zu befehlen und auf Seine Gnade zu hoffen.
Aber war diese Hoffnung berechtigt?
Meister Stephan hatte an der Zeremonie nicht teilgenommen. Seine Verletzungen waren so schwer, dass er umgehend vom Meister Apotheker verarztet werden musste. Stephan war weder zu den Nokturnen noch zu Laudes
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