Das verbotene Eden 01 - David & Juna
Ich werde mich inzwischen um Amon kümmern.«
Der Hof hatte sich mittlerweile geleert. Bis auf einige Ausnahmen waren die meisten Mönche an ihre Arbeit zurückgekehrt. Der Mann im Auto war ohne Bewusstsein. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie ihn heruntergehoben und auf die Bahre gelegt hatten. David schauderte beim Anblick des Pfeils, der unterhalb des linken Schlüsselbeins aus der Brust ragte. Der Holzschaft und die Greifvogelfedern hatten etwas Urtümliches, Archaisches. Sie erinnerten ihn an Bilder aus Büchern, die er über das Mittelalter gelesen hatte. Vorsichtig trugen sie den Verwundeten ins Lazarett und hoben ihn auf eine Liege.
Der Meister Apotheker hatte inzwischen Amons Verletzung so weit gereinigt, dass er sie begutachten konnte. Amon selbst ließ die Prozedur widerspruchslos über sich ergehen. Er war zwar bei Bewusstsein, bekam aber nichts mehr von dem mit, was um ihn herum vorging. Vermutlich war er bis zum Anschlag mit Morphin abgefüllt.
»Tja, das sieht leider nicht gut aus«, konstatierte der Arzt mit fachkundigem Blick. »Das Auge ist nicht mehr zu retten. Es sieht aus, als wäre dort etwas Scharfkantiges eingedrungen, ein Glassplitter oder etwas Ähnliches.«
»Er sagte, etwas habe ihn aus der Luft angegriffen. Etwas Weiches.«
»Vielleicht ein Greifvogel«, sagte der Apotheker. »Ich habe gehört, die Hexen richten diese Tiere für die Jagd ab. Kann sein, dass er für den Kampf trainiert wurde.«
»Was wird denn jetzt werden?« David wollte die Antwort eigentlich gar nicht wissen, er konnte sich denken, was es sein würde.
»Nun, die Iris ist zerfetzt, und ein Großteil des Glaskörpers ist ausgetreten. Ich muss das Auge entfernen.«
David nickte. Seine schlimmsten Befürchtungen waren damit zur Gewissheit geworden. Er dachte an Amons schöne Augen, an seinen wachen, klaren Blick und an sein humorvolles Zwinkern.
»Geht nicht anders.« Der Apotheker wischte seine Hände an einem sauberen Stück Stoff ab. »Die Gefahr einer Infektion ist zu groß. Der Eingriff ist nicht übermäßig schwierig, ich habe das schon an Kühen und Schafen geübt. Er bekommt eine Augenklappe, und das war’s. Die Hauptsache ist, dass er überleben wird.« Er klatschte in die Hände und stand auf. »So, und jetzt möchte ich alle, die hier nichts verloren haben, nach draußen bitten. Es wartet eine Menge Arbeit auf mich, und dazu brauche ich Ruhe. Und du, Stephan, machst, dass du wieder ins Bett kommst. Wer hat dir überhaupt erlaubt, aufzustehen?«
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Teil 2
Verrat
13
Eine Woche später …
D er große Markt von Glânmor war die Attraktion im Umkreis von mehreren hundert Kilometern, ein beliebter Treffpunkt für Händler und Käufer, Schausteller und Schaulustige, die aus sämtlichen Ortschaften rund um die Hauptstadt herbeiströmten. Die schönsten Stände befanden sich auf einer hölzernen Plattform am Rande des Sees, die auf Pfählen über dem Wasser ruhte. Unter den mit Zelttuch überspannten Arealen gab es alles, was zum Leben nötig war: Obst, Gemüse, Brot und Eier, Mehl und Zucker, frische Milch und Käse aller Art. Selbst Fleisch wurde hier angeboten, obwohl dies eigentlich nur bestimmten Kasten vorbehalten war. Es gab Stände für Waffen und Werkzeuge, Töpferwaren und Geflochtenes, Kleidung und Schuhe, ja selbst Stände mit Kinderspielzeug.
Einen bedeutenden Teil des Lebens nahm das Thema Glauben und Spiritualität ein. Kein Wunder, dass es dafür einen eigenen Bezirk auf dem Markt gab. Dort fand man alles, was für die Wahrsagerei benötigt wurde: Karten, Runen, gläserne Kugeln, Knochen und Horoskope. Es gab Mondkalender, pflanzliche Heilpräparate, Glücksbringer aller Art sowie Wohlgerüche, die nicht nur gut dufteten, sondern die betreffende Person und ihr Umfeld angeblich von bösen Geistern reinigen sollten. Und nicht zu vergessen die Göttinnen. Standbilder und Figuren waren in allen Größen und in jeder erdenklichen Ausführung erhältlich, wobei Stein, Holz, Kristall und Ton zu den beliebtesten Materialien zählten. Praktisch jeder Aspekt des täglichen Lebens unterstand einer bestimmten Gottheit. Da waren natürlich die drei großen Königinnen Wilbeth, Ambeth und Borbeth, die mit ihrem Wissen und ihrer Weisheit über das Universum herrschten. Es gab aber auch die Göttinnen des Lichts und des Handwerks, der Jagd und des Waldes, des Kampfes und der Schlacht, des Schicksals und der Fruchtbarkeit und so fort. Es gab mehr als hundert Göttinnen, die über das Schicksal
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