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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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dringen, sowie den Monologen der Kinder, die sich ihre Lektionen einprägen. Außerdem ertönen aus tausend schlechten Radios Subbulakshmis Morgengesänge, die klingen, als klage eine Frau aus dem Mittelalter auf Sanskrit endlos über die Männer der damaligen Zeit.
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    Thoma und seine Mutter schleichen auf Zehenspitzen in Ouseps Schlafzimmer. Seine Lungischlinge hängt immer noch vom Deckenventilator. Ousep ist splitternackt, hat den Mund leicht geöffnet und die Beine weit auseinandergespreizt. Sie sehen seine großen, leuchtenden Hoden, die rau und industriell wirken. «Wie von den Sowjets produziert», sagt Mariamma. Sie deckt ihren Mann mit einem Laken zu und murmelt: «Er hat kein Schamgefühl, nicht mal im Schlaf.» Thoma fragt sich, ob er auch einesTages ein so großes Organ haben wird, das so seltsam asymmetrisch geformt ist, dass es nicht einmal in der euklidischen Geometrie einen Namen hat. Ob alle Männer mit diesem Schicksal geschlagen sind, geniert er sich, seine Mutter zu fragen.
    Er hat seinen Vater schon etliche Male so gesehen. Er geht nämlich oft zu ihm ins Schlafzimmer und sieht nach, ob er vielleicht einen Herzinfarkt gehabt hat. Viele Väter sterben im Schlaf, und Thoma hat Angst, dass auch sein Vater sich auf diese Weise verabschieden könnte. Wenn Ousep schläft, sieht er aus wie tot. Er rührt sich nicht, und wenn man wissen will, ob er noch atmet, muss man sich seinen Bauch genau ansehen. Auch Thomas Mutter geht oft an das Bett ihres Mannes, um nachzusehen, ob er noch lebt. Dann steht sie mit starrem Blick da, die Hände in die Hüften gestützt, und wartet auf einen sichtbaren Atemzug oder darauf, dass sich eine Zehe bewegt.
    Genau so hatten die drei Unnis Leichnam angestarrt, als er unter einem weißen Leichentuch in der Diele lag. Eine Ewigkeit lang standen sie um ihn herum und warteten in tiefem Schweigen und voller Hoffnung, dass er jeden Augenblick aufwachen und in Gelächter ausbrechen würde. Er sah wirklich aus, als schliefe er nur. Sie warteten, bis der Fahrer des Leichenwagens an der Tür klingelte.
    Ousep reibt sich die Nase. Vorläufig ist er noch am Leben. Mariamma klettert auf einen Stuhl und nimmt die Schlinge herunter. Eine Stunde später steht Thoma mit dem Schulranzen auf dem verspannten Rücken an der Tür. Er fragt sich, wer letzte Nacht das Theater mit angehört hat, das sich bei ihm zu Hause abspielte. Wahrscheinlich alle. Er steht vor der Wohnungstür, öffnet sie aber nicht – vor lauter Scham kann er niemandem unter die Augen treten. Doch wie jeden Morgen muss er die Scham ertragen. «Kämpf, Thoma, zeig’s ihnen», sagt er und öffnet die Tür.
     
     
     
    * Unübersetzbares Wortspiel – engl. ram bedeutet Widder, Ram ist aber auch eine Inkarnation des Gottes Vishnu aus dem Heldenepos Ramayana, und Sita ist seine Ehefrau. [Anm. d. Ü.]

2
Wie soll man es nennen
    Manchmal sagt Mariamma Dinge zu Ousep – wobei sie ihm in die Augen blickt und ihn in der dritten Person anredet –, die von beißender, literarischer Qualität sind, und dann fühlt er sich an die Leute im Dorf erinnert, die immer sagten: Alle Ehefrauen sind Schriftstellerinnen. Mit Abstand am besten gefällt ihm, wie sie die Attitüde beschreibt, mit der er morgens aus dem Haus geht, nachdem er sich am Abend zuvor schändlich benommen hat: «Als wolle er sich einen Preis für sein Lebenswerk vom Präsidenten abholen.» Das stimmt, genau so geht er morgens fort. Kräftige, ausladende Schritte, entschlossen aufgesetzte Füße und hocherhobener Kopf. Doch seine Schande ist ihm bewusster, als Mariamma sich vorstellt. Wenn er ihr das erzählt, wird sie vielleicht lachen, doch während er heute Morgen sein Hemd bügelt und zwei Zigaretten gleichzeitig raucht, denkt er in Wahrheit an die alte Frage: Kann er ein besserer Mensch werden, ein verantwortlicher Mann, ein guter Vater? Ist es denn so schwer, all dies zu sein, normal zu sein, wie alle anderen?
    Durchs Schlafzimmerfenster sieht er sie in ihren dünnen Gummischlappen zum Tor gehen, früher als sonst. Er entsinnt sich nicht daran, sie je aus so großer Entfernung gesehen zu haben. Was passiert mit Männern, die ihre Frauen aus der Ferne sehen? Mariamma wirkt wie alle anderen: klein, harmlos und unauffällig, was nicht der Wahrheit entspricht. Dass sie nichts von seinerBeobachterei weiß, verschafft ihm einen seltsamen Triumph – Mariamma, die etwas im Schilde führt und allein und entschlossen ihrem Alltag nachgeht.
    Sie gehört nicht zur

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