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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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Erklärung zu finden. Durch die Erinnerungen derjenigen, die den Jungen kannten, entdeckte er einen Sohn, der ganz anders war, als er sich vorgestellt hatte. Unni Chacko, der immer so überlegen und distanziert wirkte, begegnete der Welt um ihn herum offenbar mit einer ungewöhnlichen Neugierde, so, als habe er in dem, was offen zutage liegt, etwas Verborgenes, Außergewöhnliches wahrgenommen. Unmittelbar nach Unnis Tod öffneten sich viele und erzählten Ousep, was sie über Unni wussten. Doch niemand konnte ihm sagen, warum er es getan hatte.
    Ihre lahmen Erklärungen lauteten, er habe düstere Gedanken gehabt, habe oft vom Tod gesprochen, sei zu Beerdigungen ihm unbekannter Leute gegangen, um die Gesichter gerade Verstorbener zu sehen und sie zu zeichnen. Seine Freunde erklärten beharrlich, ihn müsse etwas insgeheim tief bekümmert haben, auch wenn er sich dies nie anmerken ließ. Hinter dem Licht, das auf seinem Gesicht lag, müsse sich ein ganz gewöhnlicher Kummer verborgen haben. Was bedeutete, dass man der Sache auf denGrund käme, wenn man herausfand, was ihn bekümmert hatte. Selbst jetzt noch glauben alle gern an die These von Unnis Kummer, weil sie eine Begründung für seinen Tod brauchen. Was außerhalb des Normalen liegt, muss tragisch unterliegen, damit das Normale siegt.
    Das ist die gängige Erklärung für einen Selbstmord – man betrachtet ihn als natürliche Konsequenz unerträglichen Leids oder bastelt sich Motive zurecht. Oder man misst dem Abschiedsbrief des Toten übertriebene Bedeutung zu, obwohl er im besten Fall nichts als eine wirre Halbwahrheit ist.
    Der Abschiedsbrief eines Selbstmörders hat etwas Ulkiges, er ist der vorletzte Akt eines Lebenden, und Ousep ist froh, dass Unni die künstlerische Arroganz besaß, diesem Klischee nicht zu erliegen. Doch Mariamma befürchtet, dass der Junge auf einem Zettel eine Erklärung hinterlassen hat, die weggeweht worden ist. Diese Befürchtung ist realistisch. Ousep hat sich immer darüber gewundert, dass jemand kurz vor seinem Tod völlig darauf vertraut, dass seine Abschiedszeilen von dem, an den sie gerichtet sind, auch tatsächlich gefunden werden.
    Doch in Wahrheit bleibt jeder Selbstmord für immer ein Geheimnis, weil der einzige Mensch, der alle Bruchstücke des Motivs kennt, nicht mehr da ist. Genau deswegen musste Ousep vor drei Jahren aufgeben. Er hatte sich mehr als bemüht, alle Einzelheiten, die er über den Tod seines Sohnes in Erfahrung bringen konnte, zusammenzusetzen, doch am Ende musste er einsehen, dass er zum Scheitern verurteilt war. Bis dann vor etwa sechs Wochen etwas Unvorhergesehenes geschah.
    Als Ousep gerade die Treppe hinunterging, kam ihm der Briefträger mit einem Umschlag in der Hand entgegen. Ihn so früh am Morgen und ohne seinen Postsack zu sehen, war seltsam. Der Briefträger hielt nur eine einzige Sendung in der Hand – ein großes Kuvert. Doch Ousep hätte nicht weiter auf ihn geachtet, hätteer nicht den Namen auf dem Kuvert gelesen – Unni Chacko. Der Briefträger erzählte ihm dann die Geschichte dieser Postsendung, einem von zwölf Briefen, die er an diesem Tag verschiedenen Absendern in der Gegend zurückbrachte.
    Vor drei Jahren hatten ein paar Jungen Knallkörper in einen Briefkasten geworfen, der an einem Laternenpfahl in der Pasumarthy Street befestigt war. Die meisten Briefe verbrannten, ein paar jedoch waren nur angesengt, gelangten aufs Postamt und lagen dort in einer Pappschachtel, bis ein neuer Poststellenleiter schließlich befand, die Briefe mit leserlichen Absendern seien unverzüglich an diese zurückzuschicken. Daher kam ein Brief, den Unni abgeschickt hatte, drei Jahre später wieder zurück. Doch das war eigentlich nichts Außergewöhnliches.
    Auf der Kuvertvorderseite standen Unnis Name und Adresse – der Postbeamte, der Unnis Brief in einen neuen Umschlag gesteckt hatte, musste sie daraufgeschrieben haben. Die Vorderseite des ursprünglichen Umschlags war fast völlig zerstört, die obere Hälfte fehlte ganz, sodass der Empfänger nicht mehr ausfindig zu machen war. Doch auf der unteren, unversehrten Umschlagshälfte standen in Unnis charakteristischer, extravaganter Handschrift sein Name und seine Adresse. In dem verstümmelten Umschlag befand sich ein Packen Papier, Blätter in gutem Zustand, als sei nichts passiert, wie Unnis Gesicht, als sein lebloser Körper aus dem Leichenkühlraum kam.
    Was Unni verschickt hatte, waren ein insgesamt vierzehnseitiger Comic sowie ein auf eine

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