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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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entdeckt er ja etwas, einen schlichten Hinweis, der schon immer offen zutage lag. Findet man nicht auf diese Weise des Rätsels Lösung, durch bloßen Zufall? Noch nie hat jemand ein Rätsel durch ausgiebiges Nachdenken gelöst.
    Er schraubt die Radiorückwand auf und holt die Seiten von
Wie soll man es nennen
heraus. Ohne zu wissen, was er eigentlich sucht, blättert er sie durch. Die vertrauten Bilder ziehen vorbei – der robuste, bäuerliche Mann in der Kautschukplantage, der um sein Leben rennt, die Reise des geheimnisvollen Erzählers, die liebenswerte Frau mittleren Alters, der gigantische Büstenhalter, der sich als Hängebrücke über einen Fluss spannt, der bäuerliche Mann mit triumphierend erhobenem Daumen und schließlich Mariamma Chacko, die in Aufruhr wie eine Trophäe auf einem hölzernen Sockel steht, nach oben blickt, mit dem Finger droht und mit hochgehobenem Bein mutig zum Sprung ansetzt.
    Ousep sieht sich den Comic noch einmal an und dann noch einmal, wie schon tausendmal zuvor. Auf jeder Seite hält er inne und versucht, die Geschichte zusammenzufügen. Die meisten Comicpanels haben oben leere Felder, vermutlich für die Erzählung. Die seltenen Sprechblasen sind alle gleich groß. Hat sich Unni vorgestellt, dass alle Dialoge gleich lang sind? Und warum sind die Sprechblasen leer? Immer wieder dieselben Fragen, ohne die kein Augenblick in Ouseps Leben vergeht.
    Dass ihr Sohn keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat, ist laut Mariamma eine bedeutende Entscheidung und darüber hinaus ein wesentlicher Fingerzeig. Ousep nimmt Mariamma viel ernster, als sie glaubt. Und so fragt er sich wieder einmal, ob das stimmen kann: Enthält die nicht vorhandene Erklärung in ihrer verblüffenden Leere eine einfache Mitteilung, von der Unni annahm, seine Eltern seien klug genug, sie zu verstehen?
    ~
    Thoma Chacko steht nackt im Bad und fragt sich, ob dieser Augenblick für immer in seinem Gedächtnis bleibt. Wird er sich noch Jahre später an diesen Sonntagabend erinnern, als er Wasser in einen Eimer füllte? Wird er eines Tages so weit zurückblicken und zu dem Jungen, der er einst war, sagen: «Ja, ich erinnere mich an diesen Augenblick. Damals warst du kleiner als der Kühlschrank. Der Eimer war blau, stimmt’s? Und im Übrigen, falls es dich interessiert, Thoma: Du hast es geschafft, du hast es tatsächlich geschafft. Du bist sehr berühmt und ziemlich reich.»
    Der Eimer läuft über, aber er will den Wasserhahn nicht abstellen. Ihm gefällt das Brausen des Wassers, das unheilvolles Entsetzen hervorruft. Im Eimer ist das Meer, an die vier Kilometer tief. Er rührt mit der Hand im Wasser und erzeugt einen wilden Strudel mit einem stillen Auge in der Mitte. Thoma stellt sich vor, dass er sich im Auge eines gigantischen Meeresstrudels befindet. Er wird von Schiffen und Walen umkreist, die nichts als kleine Punkte an der riesigen Wasserwand sind. Er ist voller Angst, die ihm fast den Magen umdreht, und er schreit.
    Doch viel entsetzlicher als der Strudel ist eine gigantische Welle. Unni sagte, ein starkes Seebeben könne plötzlich eine Flutwelle von einem Kilometer Höhe erzeugen. Sie könne jederzeit am Horizont auftauchen. Daher blickt Thoma manchmal sorgsam über die Wipfel der Kokosnussbäume und die obersten Häuserstockwerke, oder so weit sein Auge reicht. Eine solche Flutwelle würde die gesamte Menschheit vernichten. Millionen Jahre später würden vielleicht neue Menschen auftauchen und eine neue Welt aufbauen, die völlig anders wäre als die, die Thoma kennt. Aber immer noch müsste man fünfunddreißig Prozent haben, um in Mathe und in den Naturwissenschaften durchzukommen. Das sagte Unni. Thoma ist erstaunt, dass das Menschengeschlecht immer genau den Prozentsatz als Untergrenze festlegt, den er mit Ach und Krach erreicht. Unni sagte, es gebeviele solcher Dinge im Universum, die keiner richtig erklären könne. Beispielsweise sähen Sonne und Mond am Himmel gleich groß aus, obwohl die Sonne um vieles größer sei als der Mond. An einem Ort im Weltraum platziert zu sein, an dem sein Mond und seine Sonne gleich groß erscheinen, müsse für einen Planeten wunderbar sein. «Ob es dafür einen Grund gibt?», flüsterte Unni dann, als kenne er den Grund.
    Thoma betrachtet nervös das Badezimmerfenster. Durch die eisernen Stäbe sieht er Mietshäuser und die oberen Stockwerke von Einfamilienhäusern und in der Ferne einen Kokospalmenwald. Aufmerksam blickt er auf das bogenförmige Ende des Festlands und

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