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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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entdeckt hat. Seitdem müssen die Franzosen das X aussprechen, sie haben keine andere Wahl.»
    «Du bist ja verrückt, Unni.»
    «Und wenn nicht?»
    Als sie die Bibliothek verlässt, redet sie sich ein, sie sei auf dem Heimweg, weiß aber, dass das nicht stimmt. Sie geht die kleine Straße zur Schule entlang, die heute wegen des Wochenendes menschenleer ist, biegt dann rechts ab zur Kirche und geht zum Friedhof, der im duftenden Schatten von Eukalyptusbäumen liegt. Ein anständiges Brahmanenmädchen, das auf einem schmalen Pfad durch einen schönen alten christlichen Friedhof geht, ist nichts Außergewöhnliches. Auch dass das Mädchen einen Blick auf einen grauen Grabstein wirft, ist normal, und wennsie sich ein Staubkörnchen aus den Augen wischt, ist auch das keineswegs verwerflich.
    An dem Nachmittag, als er es tat, duschte sie gerade. Sie hörte leises Gemurmel, dann gellendes Geschrei. Sie stellte die Dusche ab und lauschte gebannt. Fetzen dessen, was die Leute zu sagen versuchten, drangen an ihr Ohr, und sie fing an zu frösteln. Sie zog sich an, rannte auf den vorderen Balkon und sah Unni, der mit geschlossenen Augen in einer kleinen Blutlache lag. Unni, du hast dich als echter Idiot entpuppt.

3
Das Totenalbum
    Morgens bildet Mariamma Chacko eine Geräusch-Fraktion – bestehend aus wild mit Edelstahl kollidierendem Wasser, einem Löffelregen, zahlreichen Dampf-Omen und dem Murmeln des riesigen Steinmörsers, in dem sie mit übermenschlicher Kraft Körner vernichtet. Dazwischen das satanische Geflüster über seine Mutter und grundlose, schwere Schritte vor seiner Tür und liebliche Wiegenlieder aus anderen Zeiten. Doch es ist Sonntagmorgen, und in ihrer Abwesenheit ist es im Haus verblüffend ruhig. Sie ist in der Kirche, hat wahrscheinlich den Kopf schief gelegt, die Augen fromm zum Himmel gerichtet, und kniet auf ihren dünnen Gummischlappen. Oder vielleicht hat sie auch einen Weg gefunden, Ousep zu verlassen. Das wird er noch früh genug erfahren. Im Moment ist es ihm gleichgültig, wo sie ist, und er hofft nur, dass sie nicht allzu bald wiederkommt. Unnis Cartoons sind über Ouseps Schreibtisch verstreut. Umgeben von dicken Rauchschwaden und mit zwei vergessenen Zigaretten zwischen den Fingern starrt Ousep einen Cartoon an, der ausnahmsweise aus nur einem Bild besteht.
    Schauplatz ist ein Beichtstuhl. Ein Mädchen in weißem Kleid kniet dort mit aneinandergelegten Handflächen und gesenktem Kopf. Auf der anderen Seite der vergitterten Trennwand sitzt ein verschlagener Priester, der die Beichte des Mädchens genießt, wie sein beachtlich gewölbter Schritt deutlich macht. Die Figurensind, wie immer in Unnis Arbeiten, sorgfältig gezeichnet und wirken sehr echt, und deshalb fehlt dem Cartoon das Farcenhafte, auf das er eigentlich abzielt. Der potente Körper des halbwüchsigen Mädchens macht jede Farce zunichte. Ein kniendes Mädchen mit gesunden nackten Beinen, das seine Stöckelschuhe neben sich abgestellt hat, ein gedemütigtes Mädchen, das seine Geheimnisse offenbart, bei einem Mann um Vergebung bittet und bestraft werden möchte. Ob Unni sie auch so gesehen hat? Werden in Söhnen und Vätern dieselben Gedanken wachgerufen?
    Der Cartoon gehört zu einer Serie, die Unni in wenigen, intensiven Wochen geschaffen hat. Er muss damals sechzehn gewesen sein und hatte angefangen, in die Kirche zu gehen. Er saß stundenlang vollkommen still in der hintersten Kirchenbank. Manche sahen ihn zeichnen, doch meistens tat er gar nichts. Unnis ungewöhnliche Reglosigkeit wird in Ouseps Befragungen oft erwähnt – ihm selbst war sie an dem Jungen nie aufgefallen.
    Vermutlich war Unni nie daran interessiert, die riesigen Kirchenglasfenster oder die Gewölbebögen oder den hohen gelben Kirchturm zu zeichnen, den Ousep von seinem Schreibtisch aus sieht. Der Kirchturm kommt in einem Cartoon vor, bleibt aber blasse Hintergrundstaffage. Im Mittelpunkt steht ein Leitungsdraht, auf dem neun Krähen nach Krähenart nebeneinandersitzen. Sie haben die Köpfe zu einer strahlend weißen Taube gedreht, die etwas weiter entfernt allein auf demselben Leitungsdraht sitzt und einen Olivenzweig im Schnabel hält. Eine der Krähen flüstert einer anderen zu: «
Kalia
ist konvertiert.»
    Ein anderer von der Kirche inspirierter Cartoon zeigt einen Mann in voller Größe, der im Gang zwischen den Kirchenbänken steht. Er trägt ein extravagantes, großgeblümtes Hemd und Hosen, die wie Leder glänzen. Er sieht flott aus, aber

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