Das verbotene Glück der anderen
davongekommen sind.
Mariamma gibt ihre stolze Vernunft auf. Sie wirft die verhexten Gegenstände fort, ruft einen umstrittenen katholischen Priester, der ihr Haus rituell reinigen soll und etwas auf Sanskrit von sich gibt. Doch nichts ändert sich.
Ousep und Mariamma sind nicht mehr ätherisch verschmolzen, sie treiben auseinander, doch wenn es ihnen gelingt, Abstandzu halten, sodass sie einander nicht mehr hören, aber noch sehen können, hat das Auseinandertreiben ein Ende. Dann beginnen sie, einander zu umkreisen, wie zwei ebenbürtige Planeten, die nicht loslassen können. Der Abstand trennt sie auch im Bett, doch es gibt Zeiten, in denen sie kollidieren, auf der Suche nach einem anderen Leib.
In der Nacht, als Unni geboren wurde, kommt Ousep sturzbetrunken ins Krankenhaus, geht auf die falsche Entbindungsstation, beschimpft das Baby im Gitterbett und nennt es einen hässlichen Affen. Die junge Mutter schreit um Hilfe. Männer und Frauen fassen ihn an den Armen und tragen ihn zu Mariammas Bett. Er murmelt ihr etwas zu, geht dann aber, ohne das Baby gesehen zu haben.
Etwa zu dieser Zeit bekommt er von einem Messdiener den Hinweis, dass der mächtige Erzbischof pädophil sei. Ousep verfolgt die Geschichte monatelang, bringt verschiedene Jungen und Gemeindearbeiter dazu, mit ihm zu reden, und verspricht, keine Namen zu nennen. Als er den Artikel schließlich einsendet, lässt ihn der Herausgeber, ein hochverehrter alter Mann, in sein Büro kommen und fragt ihn nach der Identität der von ihm ungenannt zitierten Personen. Ousep zögert. «Sie müssen mir die Namen nicht schriftlich geben, Ousep», sagt der Herausgeber, «sagen Sie mir einfach, um wen es sich handelt. Ihre Namen lösen sich danach in Luft auf. Ich habe ein Recht darauf, die Namen zu erfahren, und Sie sind verpflichtet, sie mir zu nennen, das ist im Journalismus so üblich.» Ousep gibt die Namen preis. Daraufhin wird der Artikel fallen gelassen. Der Erzbischof hatte lange von der Geschichte gewusst und geduldig darauf gewartet, die Namen derjenigen zu erfahren, die ihn verpfiffen hatten. Eines Abends betrinkt sich Ousep und versucht, in die erzbischöfliche Residenz einzubrechen und den Erzbischof zu verprügeln. Daraufhin wird er unehrenhaft entlassen. Zu seiner Überraschungstellt ihn niemand mehr ein. Er steht plötzlich im Ruf, ein arroganter, unbeherrschter junger Mann zu sein, der Artikel erfindet. In den Nachrichtenredaktionen kursieren Geschichten über ihn, meistens Übertreibungen dessen, was er unter Alkoholeinfluss gesagt und getan hat. Die Männer, die darauf gewartet haben, dass Ousep zu Fall kommt, unter ihnen auch manche Freunde, sorgen dafür, dass er in Kerala nie wieder hochkommt. Er findet eine bescheidene Stelle bei den
United News of India
, zieht nach Madras und beginnt ein Leben inmitten strenger Vegetarier.
~
Nicht zum ersten Mal seit man ihn hier eingeliefert hat, wacht er auf und nimmt hin, dass er auf einer eindrucksvollen Station liegt und nie in einem besseren Bett geschlafen hat. Wahrscheinlich hat man ihm starke Medikamente gegeben: Alles ringsum ist ordentlich in weißen Nebel gehüllt. Er genießt seine körperliche Zerbrechlichkeit, sie erinnert ihn an einen verschlafenen Regentag. Und er genießt es, von Fremden umsorgt zu werden, denen er nichts schuldet, vor allem kein Geld. Er ist so schwach, dass er nicht einmal denken kann; eine Art tiefe Gelassenheit erfüllt ihn, und er befürchtet, in jemand Besseren verwandelt worden zu sein. Handelt es sich um Klarheit? Ist Klarheit ein einziger, transparenter Gedanke oder das Fehlen jeglichen Gedankens? Hatte Unni am Ende recht – könnte es sein, dass Gedanken in Wahrheit die verdorbene, dominante Spezies der Welt sind, dass sie den Menschen kolonisiert haben und jetzt schonungslos zu immer komplexeren Vorstellungen mutieren und ihn zum Handeln veranlassen, damit sie am Ende als wunderbare Gegenstände in die materielle Welt eindringen können?
Ousep ist von dem Medikament begeistert, das man ihm verabreichthat, doch dann lässt er die Hand über seine haarige Brust kreisen, was bedeutet, dass er jetzt ein Schlückchen braucht.
Die weiße Tür geht auf, und eine fast schöne Krankenschwester kommt herein. Sie hält einen Stift über ein Notizbuch, als wüsste sie, was sie gleich schreibt, wartet aber noch, bis sie es mit eigenen Augen gesehen hat. Im Gegensatz zu den älteren Schwestern scheint sie den gestärkten weißen Kittel und die weißen Strümpfe nicht
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