Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
erinnerte Bran die anderen mit giftgrünen Worten, »war ein Desaster. Das Gesetz verbot ihnen jede Gegenwehr. Mehrere von ihnen kamen ums Leben, viele wurden verletzt. Wir mussten eine schwere Niederlage hinnehmen. Es war das schlimmste Massaker, das Menschen je unter den Drachen angerichtet hatten. Aber eines wurde dabei klar: Maristara hatte tatsächlich etwas viel Widerwärtigeres getan, als nur die Herrschaft über ein Menschenreich zu übernehmen. Es stellte sich heraus, dass sie die Menschen in Drachenmagie unterwiesen hatte.«
»Dafür gibt es keinen Beweis«, widersprach ein älterer Drache, Malfiesto, in strengem Ton.
»Natürlich gibt es dafür Beweise«, entgegnete Bran. Seine Gedanken flackerten vor Ungeduld. »Welche andere Erklärung gäbe es dafür, dass wir so massiv geschlagen wurden? Dass drei von uns umgekommen sind? Zeig mir die Menschen, die das ohne Magie vermögen! Stimmt das nicht, Drakonas?«
Dieser hatte darüber seine eigenen Vorstellungen, aber er würde sich nicht dazu bringen lassen, sich hier auf die eine oder die andere Seite zu stellen. Zum Glück meldete sich der ältere Drache wieder zu Wort. Drakonas war vergessen.
»Und wenn schon! Mir ist nicht klar, was du von uns erwartest, Bran.«
Anora unterbrach die Diskussion. »Wünschst du den Rednerstab, Malfiesto?«
»Nein, Ministerin«, wehrte Malfiesto ab. »Ich habe alles gesagt, was ich kundtun wollte. Bis darauf, dass all dies Zeitverschwendung ist, sowohl für uns als auch für Drakonas. Was soll er unternehmen, das wir nicht schon versucht hätten?«
Anora runzelte die Stirn, worauf Malfiestos Gedanken eine graugrüne Schattierung annahmen. Bei Menschen hätte man diese Stimmung als Maulen bezeichnet.
»Bitte sprich weiter, Bran.«
»Danke, Ministerin.« Der junge Drache warf den anderen einen trotzigen Blick zu. »Ich werde euch verraten, warum ich euch zusammengerufen habe und weshalb ich um Drakonas' Kommen ersucht habe. Wie ihr alle wisst, bin ich nur deshalb heute Mitglied dieser illustren Versammlung, weil mein Vater vorzeitig umgekommen ist.«
Die sanften, gedämpften Farben des Mitgefühls unterbrach Bran durch den Zusatz: »Mein Vater wurde ermordet.«
Die Drachen wechselten verlegene Blicke. Was sollten sie dazu sagen? Jeder wusste, dass die furchtbare Schande in der Familie Brans Vater in den Wahnsinn getrieben hatte. Was genau geschehen war, wusste allerdings niemand. Man hatte den zerschellten Körper des Drachen am Fuß einer Felswand gefunden. Allgemein wurde angenommen, dass er verrückt geworden war und sich das Leben genommen hatte, indem er frontal gegen den Berg geflogen war.
Bran kannte die Gedanken der anderen. Er sah sie in ihren Köpfen und begehrte dagegen auf: »Er wurde nicht von seiner Mutter Maristara umgebracht. Sie verlässt ihr Reich niemals. Aber es war ein Drache. Einer, der mit Maristara im Bunde ist, der sie schützt und deckt.«
»Das ist eine überaus ernste Anschuldigung, Bran«, gab Anora zu bedenken. Die Bilder in ihrem Geist flackerten orange auf. »Seit den Drachenkriegen hat keiner von uns mehr das Blut eines anderen Drachen vergossen. Es fällt mir schwer, das zu glauben. Aus welchem Grund …?«
»Appetit auf Menschenfleisch«, antwortete Bran.
Unruhig rutschten die Drachen hin und her. Von diesem totgeschwiegenen Geheimnis ihrer Art wollten sie nichts hören. Alle Drachen fanden Gefallen an Menschenfleisch. Vor langer Zeit waren die Menschen daher einmal nahezu ausgerottet gewesen. Einer der Gründe für das Parlament, für die Gesetze, für Drakonas.
»Welchen Beweis kannst du vorbringen, Bran?«, forderte Anora ihn mit skeptischer Miene auf.
»Mein Vater hatte seit langem versucht, Maristara irgendwie zu stürzen. Für ihn war offensichtlich, dass das Parlament nicht mit ihr fertig wurde …«
Die Drachen knurrten, doch keiner meldete sich zu Wort.
»… deshalb fiel diese Verantwortung ihrer Familie zu, also uns. Er stellte Nachforschungen an, versuchte, möglichst viel über sie, über das unglückselige Reich und über den fehlgeschlagenen Angriff herauszufinden. Er überprüfte, was vorgefallen war, sprach mit Überlebenden und kam zu zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Die Menschen hatten unsere eigene Magie gegen uns eingesetzt. Zweitens: Maristara hatte eine Warnung erhalten. Der Einzige, der sie hatte warnen können, war einer von uns, ein anderer Drache.«
Er legte eine Pause ein und sah sich im Kreis um. Niemand widersprach.
»Mein Vater überlegte
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