Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
das Lederwams, die Lederstiefel und die grünen Kniehosen aus gutem, festem Baumwolltwist bis hin zu dem unauffälligen Wanderstab mit dem Lederbeutel daran. Die Kleider deuteten auf einen Jäger hin, vielleicht gar einen Wilderer. Die dunklen Augen in der Kapuze hingegen sprachen eine andere Sprache. Respektvoll sprang der Junge auf.
»Ja, Meister, das ist die Stadt«, sagte das Kind. »Für ein Kupferstück kann ich Euch hinführen.«
»Einen Führer brauche ich kaum, da ich die Türme schon selber sehe«, wehrte Drakonas freundlich ab. Als er die Enttäuschung des Jungen bemerkte, fügte er jedoch hinzu: »Aber für ein paar Informationen zahle ich gern ein Kupferstück.«
»Ja, Meister«, strahlte der Junge.
Prompt folgte eine Rangelei, denn als die beiden Freunde des Jungen das Wort »zahlen« vernahmen, wollten sie sofort dabei sein, und es kam zum Streit. Nachdem sich der Staub gelegt hatte, stellte sich heraus, dass der erste Junge gesiegt hatte. Die anderen beiden rieben sich noch Kinn und Nase, während er sich triumphierend zu Drakonas umdrehte. »Was möchtet Ihr wissen, hoher Herr?«
»Ich habe gehört, Ramsgate sei eine große Stadt, sehr reich und wegen seiner Märkte im ganzen Reich bekannt.«
»Das stimmt, Meister«, bestätigte der Junge stolz.
»Dennoch ist die Straße leer. Offenbar bin nur ich nach Ramsgate unterwegs. Kannst du mir den Grund dafür verraten?«
»Natürlich wegen dem Drachen, Meister.« Der Knabe wirkte so verblüfft, als hätte Drakonas wissen wollen, was das für ein komischer, gelber Kreis da oben am Himmel sei. »Wollt Ihr etwa behaupten, Ihr hättet keine Ahnung, was los ist? Alle Welt redet davon.«
»Nein, tut mir Leid. Ich habe nichts gehört«, antwortete Drakonas. »Ein Drache, sagst du?« Er schaute zum Himmel empor.
»Ja, Meister.« Der Junge wies mit dem Daumen auf seine Begleiter. »Darum sind wir ja hier. Wir wollen das Ungeheuer gern sehen.«
»Seit zwei Wochen kommt er jeden Tag«, fügte einer seiner Freunde, vielleicht ein jüngerer Bruder der beiden, hinzu und trat herbei. »Joe, der Müllerssohn, hat ihn gesehen. Er war grün und riesig groß. Aus seinem Maul kam Feuer, und an seinen Klauen klebte das Blut derer, die er gefressen hat.«
»Ich hoffe doch, er hat Joe nicht erwischt«, sagte Drakonas.
»Nein, nein. Joe hat sich schnell in den Büschen versteckt, als er ihn kommen sah, und ist dort geblieben, bis er vorbeigeflogen war. Aber der Drache hat Hunderte von Menschen getötet und alle Dörfer am Fluss in Brand gesetzt.« Der Kleine wirkte geradezu begeistert.
»Kein Wunder, dass niemand unterwegs ist«, stellte Drakonas fest. »Hunderte von Toten, sagt ihr! Dieser Drache muss ein furchtbares Untier sein. Aber ihr scheint ja keine Angst vor ihm zu haben.«
»Natürlich nicht«, erwiderte der erste Junge, warf dabei allerdings verstohlene Blicke zum Himmel.
»Will denn jemand gegen den Drachen antreten?«, wollte Drakonas wissen.
»Der König und seine Ritter suchen schon nach ihm. Wir haben gesehen, wie sie aus den Toren der Stadt galoppiert sind. Wir sahen sie allerdings auch zurückkommen. Sie waren verschwitzt und wütend und fluchten, dass sie den lieben langen Tag keine Spur von dem Biest gefunden hätten.«
»Und kaum waren sie aus dem Sattel, da kam ein Bauer angerannt und jammerte, der Drache hätte seine Herde geraubt«, meldete sich der kleine Bruder mit heller Stimme zu Wort. »Und dann haben sie noch mehr geschimpft. Auch der König. Ich hab's selbst gehört.«
»Alle Märkte und alle Geschäfte sind geschlossen«, teilte der dritte Knabe mit. »Die Leute wagen sich kaum noch auf die Straße. Joe sagt, der Müller sagt, das Ungeheuer wird uns noch ruinieren, selbst wenn es uns nicht alle auffrisst.«
»Ein kluger Mann, dieser Müller. Hier habt ihr jeder ein Kupferstück.« Drakonas griff zu seinem Beutel und holte die Münzen heraus. »Und eins für den wackeren Joe.«
Er schickte sich an, die Brücke zu überqueren.
»Wartet, Meister!«, rief der Junge. »Ihr geht ja in die Stadt.«
»Ja, natürlich«, gab Drakonas zurück.
Die Knaben liefen neben ihm her. »Obwohl wir Euch von dem Drachen erzählt haben? Habt Ihr denn keine Angst?«
»Oh, doch«, räumte Drakonas ein. »Aber ich brauche Arbeit.«
»Viel Arbeit gibt es da nicht«, meinte der Junge. »Seit der Drache kommt. Was seid Ihr denn?«
»Ich bin ein Drachenjäger«, verriet Drakonas.
Er setzte seinen Weg fort, vor ihm die Türme von
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