Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
erwiderte.
Drakonas ritt nicht gern. Aufgrund seines Drachenerbes verfügte er über eine Kraft und Ausdauer, die weit über die normaler Menschen hinausging. Er brauchte einfach kein Pferd. Er konnte ohne Pause lange Strecken laufen und dabei ebenso viele Meilen am Tag zurücklegen wie ein Reiter. Das war der eine Grund.
Hinzu kam der Grund, weshalb er als Mensch unterwegs war. Seine besten Informationen stammten von anderen Reisenden. Mehr als einmal hatte Drakonas erfahren, dass Menschen Fremden Dinge erzählen, die sie ihren besten Freunden nie verraten würden. Lange gemeinsame Wege lösten die Zunge.
Und dann war da noch ein dritter Grund.
Drakonas kam mit Tieren nicht gut zurecht. Manche gerieten in Panik und ergriffen die Flucht. Andere griffen an, sobald sie ihn sahen. Die meisten wirkten irritiert. Die Tiere wussten zwar nicht, was er war, aber sie spürten, was er nicht war, nämlich ein Mensch. Die Dorfköter folgten ihm viele Meilen, schnupperten hinter ihm her und jaulten. Einmal hatte eine kleine gescheckte Katze über Stunden vor ihm gesessen und ihn pausenlos aus ihren goldenen Augen mit schief gelegtem Köpfchen angestarrt.
Mit Pferden musste er besonders vorsichtig umgehen. Sie legten sofort die Ohren an, schnaubten, stampften und verdrehten die Augen, wenn er kam. Sobald er jedoch neben ihnen stand, konnte er sie gewöhnlich mit fester Berührung und mit seiner Stimme beruhigen. Dann ließen sie ihn aufsteigen. Das gelang ihm auch beim Pferd des Königs, doch die Stute zeigte sich weiterhin gereizt und unruhig. Ständig verdrehte sie den Kopf, um diesen verdächtigen Fremden im Blick zu behalten.
»So habe ich Falderal noch nie erlebt«, stellte Edward nach einer Weile fest. »Vielleicht drückt etwas unter der Satteldecke.«
Drakonas hätte dem König erklären können, dass nicht der Sattel das Pferd störte, sondern der Drache auf seinem Rücken. Da dies jedoch schlecht möglich war, stieg er noch einmal ab und wollte gerade den Sattel abnehmen, als er Hufschlag hörte.
Es war ein unglaublich stiller Tag. Aus Angst vor dem Drachen waren die Tiere in Deckung gegangen. Selbst die Vögel verbargen sich im Geäst und schwiegen. Drakonas' scharfe Ohren nahmen den Rhythmus galoppierender Hufe hinter ihnen wahr, der eine Weile zu hören war. Dann brach das Geräusch abrupt ab.
Drakonas blickte nach Süden und musterte den Weg, auf dem sie gekommen waren. Sie hatten offenes, hügeliges Grasland durchquert. Die Straße führte genau geradeaus, immer auf und ab, und sie war in gutem Zustand, denn sie führte von Ramsgate-upon-the-Aston zu der Stadt Bramfell im Norden des Reiches. Edward zufolge war Bramfell für seine Wolle berühmt.
Ein Blinken in der Ferne erregte seine Aufmerksamkeit. Drakonas' Augen waren ebenso scharf wie sein Gehör. Ein Drache kann im Flug eine Maus erspähen, die viele hundert Fuß unter ihm im Gras hockt. Seine Augen waren nicht ganz so gut, denn Menschenaugen haben ihre Grenzen, aber sie waren doch besser als die eines Durchschnittsmannes. In einiger Entfernung bemerkte er hinter ihnen auf einem Berg fünf Reiter. Das Blitzen, das ihm aufgefallen war, kam von der Sonne, die auf die Linse des Fernrohrs gefallen war, das einer von ihnen hielt.
Gleich darauf waren die Reiter verschwunden. Hufschläge hörte Drakonas nicht.
»Was ist denn?«, erkundigte sich Edward, der Drakonas' Reaktion bemerkt hatte. »Der Drache?«
»Das dachte ich zunächst, doch ich habe mich geirrt«, antwortete Drakonas. Er schob den Sattel wieder zurecht und bückte sich, um den Gurt zu schließen. Dabei horchte er weiter auf Hufgetrappel.
Nichts.
»Ich möchte nicht, dass dieses tückische Wesen uns hier draußen im Freien erwischt.«
»Nein«, stimmte Drakonas zu und sah sich um. »Nicht hier draußen im Freien.«
Er saß wieder auf, und sie ritten weiter. Drakonas lauschte aufmerksam. Schon bald hörte er ein gedämpftes Echo, fernen Hufschlag, der ihnen folgte. Zusammen mit dem König legte er fünf Meilen zurück, doch die ganze Zeit blieben die Geräusche hinter ihnen. Sie kamen nicht näher, sondern wahrten Abstand.
Aus einer Ahnung heraus nutzte Drakonas einen kleinen Schrein am Straßenrand in einem Wäldchen für eine gezielte Rast. Der König brachte ein kleines Opfer dar, da er, wie er sagte, jede Hilfe brauchen konnte. Drakonas führte die Pferde zu einem nahen Bach, wo sie trinken konnten. Immer noch horchend beobachtete er die Straße im Süden. Eine Weile hörte er die
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