Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
einem Königreich. Eure Steuerausfälle durch den Drachen sind weitaus höher.«
»Na schön.« Widerstrebend willigte Edward ein. »Und nun, da wir uns einig sind, bitte ich um Aufklärung, wie Eure Magie funktioniert.«
»Magie ist kein Wasserrad, Majestät. Ich kann Euch weder eine Zeichnung machen noch den Mechanismus erklären. Magie ist, was sie ist. Wenn Ihr nun nach dem Gold schicken würdet …«
»Gunderson, geh und hol die Goldstücke aus der Schatztruhe.«
»Eure Majestät, ich bitte Euch! Überdenkt noch einmal, worauf Ihr Euch einlasst. Euer Königreich ist von innen und außen bedroht. Die Barone im Grenzland rüsten zum Krieg. Die Kaufleute jammern, dass sie kein Geschäft mehr machen. Sie können ihre Steuern nicht bezahlen. Also haben wir kein Geld für unsere Soldaten, geschweige denn für diesen Mann hier. Was seine so genannte Magie angeht, so weiß ich nicht, wie er es anstellt, aber es muss eine rationale Erklärung geben.«
Er redete weiter. Drakonas setzte sich auf einen Stuhl und hörte einfach nur zu.
Dabei beobachtete er den König sehr genau, dessen Augen immer dunkler wurden, bis sie keine Regung mehr verrieten. Das ausdrucksvolle Gesicht, das zuvor so offen gewirkt hatte, verschloss sich immer mehr. Schließlich waren alle Türen geschlossen und das innere Licht eingesperrt. Höflich lauschte der König dem Älteren, aber sein Blick wanderte zu dem Lederbeutel an dem Stab.
»Ein junger Mann«, überlegte Drakonas, »der früh die Last des Königstitels zu spüren bekommt – eine Bürde, die mit jedem Tag schwerer wird. Er hat früh geheiratet, eine Frau, die er kaum kannte, und die Heirat sollte ihn zu einem Nichts degradieren. Jetzt muss er nicht nur für seine Familie, sondern auch für sein Volk Ehemann und Vater sein. Er steht knietief im Sumpf und legt sich krumm unter seiner Last. Und da komme ich und biete ihm ein faszinierendes Abenteuer an – Mondstaub, Topas und eine geheimnisvolle Schönheit. Wie die wahren Ritter aus alter Zeit zieht er fort für die edle Sache, um sein Königreich zu retten. Ich biete ihm die Gelegenheit, die Lasten abzustreifen und für kurze Zeit zu vergessen, dass er König, Ehemann und Vater ist. Welcher Mensch könnte da widerstehen.«
»Mein Entschluss steht fest«, erklärte Edward. Er schnitt Gunderson mitten im Satz das Wort ab. Diesmal setzte er seine kalte, unpersönliche Königsstimme ein. »Ich gehe mit Meister Drakonas. Ich weiß, dass es ein großes Risiko ist, alter Freund«, lenkte er ein, »aber wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass es klappen kann, dass ich mein Reich für immer von der Geißel des Drachen befreien kann, dann muss ich dieses Risiko eingehen.«
»Lasst mich Euch begleiten, Majestät«, flehte Gunderson inständig. »Zieht nicht allein mit diesem Fremden davon.«
»Dich brauche ich hier, mein Freund«, wehrte Edward ab. »Du musst dich um mein Reich kümmern. Ermintrude wird mit ihrem Vater schon fertig, aber wenn es zum Schlimmsten kommt und er in das Königreich einfällt, braucht sie dich an ihrer Seite.«
»Ja, Majestät.« Gundersons Stimme war belegt. Er wandte sich Drakonas zu. »Seht zu, dass Ihr Seine Majestät behütet wie Euren Augapfel. Sonst gelobe ich, dass Ihr Eures Lebens nicht mehr froh werdet.« Er tippte sich an die Brust. »Dafür werde ich schon sorgen.«
In dieser Nacht schlug der räuberische Drache wieder zu.
Es war schon spät, doch die Ritter feierten noch, als Alarm geschlagen wurde. Alle Anwesenden griffen zu Schwert und Schild und eilten ins Freie. Dort rannten sie die steinernen Stufen zu den Wehrgängen hinauf, um selbst hinauszuschauen.
In der Ferne blinkte der gewaltige, grün geschuppte Leib des Drachen im Schein der Flammen der brennenden Weizenfelder. Das Ungeheuer verdeckte die Sterne. Fluchend schlugen die Ritter mit den Schwertern an ihre Schilde und forderten den Drachen mit lauter Stimme heraus, er solle doch kommen und kämpfen. Bran scherte sich natürlich nicht um diese Provokation. Sein Fortfliegen leitete er mit einem Zucken der Schwanzspitze ein, die für alle Zuschauer so aussah, als wollte er sie gezielt beleidigen.
Edwards Gesicht war vor Wut gerötet. Er presste die Lippen aufeinander, bis sie nur noch eine gerade, feste Linie waren, machte auf dem Absatz kehrt und stieg von der Mauer herab. Kurze Zeit später gab der König mit ruhiger, gemessener Stimme bekannt, dass er auf Pilgerfahrt gehen würde. Er wolle göttliche Hilfe suchen, um dieser
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