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Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Titel: Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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hatte, war der geheimnisvolle, düstere Alkoven hinter dem Altar für sie der heiligste Ort der Welt gewesen, unantastbar, beeindruckend und wunderbar. Wenn sie sich im Stillen mitunter ausgemalt hatte, wie sie eines Tages Meisterin sein würde, hatte sie durchgespielt, wie es sein musste, hierher zurückzukehren. Sie würde die drei Stufen emporschreiten, welche den Alkoven vom Rest der Höhle trennten, und von dort aus in die Gesichter der Schwestern blicken, die um das Auge versammelt waren und sie vertrauensvoll anschauten.
    Doch dies war nicht der Augenblick, den sie sich erträumt hatte. Hier war etwas Schauerliches im Spiel, etwas war verkehrt. Sie war nicht die Meisterin. Sie hatte nicht das Recht, hier zu sein. Ihre Bewegungen waren langsam und voller Widerstreben, denn sie hoffte, die Meisterin würde doch noch ihre Meinung ändern und sie anhalten lassen. Als ihr Fuß die erste Stufe berührte, wandte Melisande sich um.
    »Meisterin, bitte. Es ist nicht recht. Ich bringe dich lieber zurück.«
    »Geh weiter, Melisande«, ermahnte ihre Herrin, deren Stimme jetzt an kaltes, scharfes Eisen erinnerte.
    Nach einem tiefen Seufzer versuchte Melisande, sich einzureden, dass es kein Sakrileg sein konnte. Schließlich hatte die Meisterin es angeordnet, und sie war die Weisheit selbst. Also stieg Melisande die drei Stufen empor und betrat den Alkoven.
    Auch das Licht der Kohlebecken konnte die Schatten nicht durchdringen, die schon hier gewesen waren, als der Alkoven vor Hunderten von Jahren in den Fels geschlagen worden war. Es war kühl und dunkel, nicht bedrohlich, aber auch nicht einladend. Melisande suchte den heiligen Frieden, der hier herrschen müsste, entdeckte jedoch nichts dergleichen. Die Schatten waren wie Hunde, die sie auf den Befehl ihres Herrn jederzeit anfallen würden.
    Jetzt fröstelte sie nicht mehr, sondern ihr war fiebrig heiß. Als sie sich nach ihrer Meisterin umdrehte, starrte sie direkt in das riesige, allumfassende Auge, das sie seinerseits anzublicken schien.
    Melisande stützte die Ellenbogen auf den Altar, faltete die Hände und legte ihre glühende Stirn darauf. Sie musste stark bleiben. Wenn sie zusammenbrach, wäre die Meisterin allein und hilflos.
    »Meisterin«, bat Melisande, »verzeih meine Schwäche, aber es geht mir nicht gut. Lass mich gehen.«
    »Es geht dir bald wieder gut, Melisande«, versprach die Meisterin. »Du wirst dich wieder jung und stark fühlen, unbesiegbar. Öffne den Sarkophag.«
    »Hier ist kein Sarkophag, Meisterin«, wunderte sich Melisande, der vor Mitleid fast das Herz brach. Jetzt wurde ihr klar, dass die Meisterin nicht mehr ganz bei sich war, wie man es mitunter bei sehr alten Menschen beobachtet. »Hier ist nur der Marmoraltar. Ich bringe dich jetzt zurück in dein Zimmer.«
    Die Meisterin sprang auf. Die seidene Decke rutschte ihr von den Schultern und floss wie eine Pfütze voll goldener Fäden um ihre bloßen Knöchel. Ihr schmaler Körper bebte vor Entschlossenheit.
    »Noch bist du nicht die Meisterin, Melisande!«, schrie sie. Etwas Schreckliches lag in ihrer Stimme. »Gehorche mir.«
    Melisande schnürte sich die Kehle zusammen. Ihr Mund wurde trocken. Wenn sie es mit einer Wahnsinnigen zu tun hatte, sollte sie am besten mitspielen, sonst würde die ungewöhnliche Erregung ihrer Meisterin ihr noch mehr zusetzen.
    »Natürlich, Meisterin. Ich werde den Deckel abheben.«
    Die Hohepriesterin legte beide Hände auf den Marmoraltar und untersuchte diesen sorgfältig. Er war lang und schmal und ähnelte tatsächlich einem Steinsarg, auch wenn ihr das nie aufgefallen war. Vielleicht war die Meisterin deshalb auf diese merkwürdige Idee gekommen. Die Deckplatte ähnelte tatsächlich einem Deckel, denn ihr Rand überlappte den Hauptteil. Als sie aufschaute, stellte sie fest, dass die Meisterin sie zornig anfunkelte.
    »Der Deckel ist schwer«, räumte ihre Herrin ein, »aber wenn du fest schiebst, mit beiden Händen, kannst du ihn bewegen.«
    Immerhin klang nun die Stimme der Vernunft aus dem Wahnsinn. Trotz einer Angst, der sie keinen Namen geben konnte, legte Melisande erneut die Hände auf die Platte und schob, wie die Meisterin es ihr aufgetragen hatte. Die Platte rührte sich.
    Melisandes Hände zitterten. Ihr Mund war wie ausgedörrt, die Handflächen waren dafür schweißnass. Sie fühlte sich ganz krank und hatte Angst, ohnmächtig zu werden.
    »Schieb weiter«, forderte die alte Frau.
    »Nein, Meisterin, bitte«, flehte Melisande voller

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