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Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Titel: Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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Gleich würde er sie Drakonas übergeben, und dann wollte er mit dieser Teufelin abrechnen, die einer armen Frau das Leben nehmen wollte. Den Plan hatte er sich bereits zurechtgelegt. Er hatte beschlossen, in diesem Königreich hier zu bleiben. Er wollte die Verräterin lebend fassen und den zuständigen Behörden übergeben. Anschließend würde er dafür sorgen, dass die alte Meisterin anständig gepflegt wurde. Und schließlich würde er eigene Nachforschungen über Grald, die Soldaten und die geheimnisvollen Kinderschmuggler anstellen.
    All dies hatte er im Nu beschlossen, während er die Treppe zu der Höhle mit den Torfbecken hinunterpolterte.
    Die alte Frau hielt er fest und sanft zugleich. Er wollte keinesfalls über die nachschleifende Decke stolpern, in die sie gewickelt war. Sie rührte sich nicht ein einziges Mal, sondern lag wie betäubt in seinen Armen. In ihrem künstlichen Tiefschlaf bemerkte sie anscheinend nichts von dem Ruckeln und Rufen, von seinen schweren Schritten und dem Klirren seines Schwertes, das gegen die Felswände stieß.
    Schon erreichte er den Raum mit dem weißen Marmoraltar und dem seltsamen, unheimlichen Auge auf dem Boden, das im Feuerschein flackerte und ihn anzustarren schien.
    »Ich habe sie!«, rief Edward Drakonas zu, während er auf die Stelle an der Wand zusteuerte, wo sein Handschuh ruhte. »Aber jemand folgt uns!«
    Edward warf einen Blick auf die Frau, und was er sah, verschlug ihm die Sprache. Ganz unerwartet war sie zum Leben erwacht. Ihre Augen standen offen, sie waren dunkel und voller Feuer und spiegelten sein Gesicht. Ihr starrer Blick enthielt keine Furcht, nur eine seltsame, ausdruckslose Ruhe, bei deren Anblick ihm ein Schauer über den Rücken lief.
    »Herrin«, stammelte er, völlig aus dem Konzept gebracht, »Edle Herrin, ich will Euch nichts tun. Bitte glaubt mir.«
    »Melisande«, sagte die Alte. »Bist du da?«
    »Ich bin da, Meisterin«, antwortete eine andere Stimme leise, liebreizend und schrecklich zugleich.
    Verwirrt drehte Edward sich um, ohne die Frau loszulassen.
    Das Feuer brachte eine bleiche Schönheit zum Leuchten. Augen wie blaue Flammen im Regen glitzerten in einem fein geschnittenen, ovalen Gesicht, glatt wie Elfenbein mit einem Hauch Karneol und Rosen, als wäre es in Wasser getaucht, das gerade zu Eis gefror. Ihr Gesicht. Das Gesicht aus dem Topas. Melisande.
    Wie vom Donner gerührt starrte der König sie an, ohne ein Wort herauszubringen. Er konnte sich nicht regen. Die junge Frau sagte keinen Ton. Sekundenlang schlugen drei Herzen. Da plötzlich fiel donnernd die Tür ins Schloss. Edward zuckte zusammen. Seine Nerven lagen bloß.
    Melisande warf einen Blick zur Tür, ehe sie ihn wieder mit diesem Blick aus blauem Feuer bedachte.
    »Leg die Meisterin hin«, befahl sie.
    Die erklärenden Worte, die Edward auf der Zunge lagen, verfingen sich in duftendem Rauch, den nassen Strähnen blonder Haare und den Mördern, der Magie, den irren Mönchen und falschen Nonnen, den heiligen Pflichten und der fast vergessenen Legende von der wilden Zauberin im Wald, die einen Mann für immer in ihren Bann schlug, wenn er sich in sie verliebte. Seine Gedanken waren übervoll und nicht zu ordnen.
    »Meisterin Melisande, ich meine, Herrin.« Die Worte entwanden sich nur mühsam dem Gewirr. »Ich habe nicht die Absicht … also … Eure Meisterin ist in Gefahr. Ich habe …«
    Melisandes Handbewegung war so herrisch und dabei so anmutig, dass sie ihn erneut verwirrte. Seine Gedanken verwehten wie die Fäden eines durchtrennten Spinnennetzes.
    »Du hast ein Sakrileg begangen«, stellte Melisande unheilvoll fest. »Deine verruchten Hände haben den heiligen Leib unserer Meisterin berührt. Das ist ein unverzeihliches Verbrechen, für das du zweifellos zum Tode verurteilt wirst.«
    Edward spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Er blickte auf die alte Frau in seinen Armen, die sich nicht rührte. Sie überließ die Situation ganz ihrer Untergebenen, blieb ganz still und schien kaum noch zu atmen, ließ ihn jedoch nicht aus den Augen. Der König fühlte sich immer unwohler.
    Er selbst fühlte sich im Recht, zugleich aber auf unerklärliche Weise im Unrecht. Er musste seine Tat erklären, sie und die Meisterin warnen, dass irgendwo dort draußen ein Mörder lauerte. Seine einzige Sorge galt jetzt noch Drakonas. Edward wollte nicht, dass dieser sich einmischte, und warf daher einen kurzen verstohlenen Blick zur Wand, die keine Wand war, dorthin, wo sein

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