Das verbotene Land 2 - Drachensohn
des Drachen Ausschau halten mochten. Er hatte die Gegend um die Reiche Seth und Idlyswylde durchstreift und dabei nach den verrückten Mönchen gesucht, Menschenmännern mit Zugang zur Drachenmagie. Auf Gralds Befehl hin hatten diese Mönche Drakonas verfolgt, und dieser ging davon aus, dass sie auch dem Kind mit dem Drachenblut in den Adern nachjagten. Doch Mönche zogen ständig umher, machten Pilgerfahrten, arbeiteten und besuchten einander. Daher traf Drakonas viele von ihnen, und ohne direkte Konfrontation konnte er nicht sicher sein, welche echt waren und welche falsch. Er musste den Jungen finden. In den Wald durfte er nicht eindringen, denn es war möglich, dass man ihn beobachtete. Also musste er warten, bis Bellona herauskam.
Bellona war keine Bäuerin, sondern Soldatin. Sie musste ihre Talente so einsetzen, dass sie Nahrung und andere lebensnotwendige Dinge dafür erhielt. Dazu aber musste sie den Schutz der Wildnis verlassen und dorthin ziehen, wo die waren, von denen sie bekommen konnte, was sie brauchte. Der Jahrmarkt in Schönfeld war eine nahe liegende Wahl. Er lag am nächsten an ihrem Wald, und zwischen den vielen Menschen dort fiel sie nicht so leicht auf. Was zählte schon ein verkrüppeltes Kind unter so vielen Leuten? Als Drakonas sich unauffällig umhörte, stellte er fest, dass sie bereits hier gewesen war. Also würde sie wiederkommen. Zumindest war der Jahrmarkt ein guter Ausgangspunkt.
Eine Woche vor Beginn des Jahrmarkts war Drakonas in Schönfeld eingetroffen, um sich mit dem Gelände und den Menschen dort vertraut zu machen. Unauffällig holte er Erkundigungen über Pelzhändler ein, ließ sie sich beschreiben und entdeckte schließlich eine Beschreibung, die auf Bellona und den Jungen passte.
Das Kind hatte Drakonas zuletzt mit einem Jahr zu Gesicht bekommen. Damals hatte er nicht viel von ihm gesehen. Drakonas malte sich aus, wie der Drachensohn mit sechs Jahren aussehen musste – äußerlich normal, bis auf die Beine. Die würde Bellona tarnen, aber sie konnte nicht vertuschen, dass der Sohn eines Drachen anders lief als der eines Menschen.
Als die Massen heranströmten, hielt er nach ihr und dem Jungen Ausschau. Das Kind entdeckte er gleich am ersten Morgen, weil es wegen seines Gangs auffiel. Junge Drachen im Alter von wenigen Monaten hatten denselben federnden Gang, wenn sie versuchten, aufrecht auf den Hinterbeinen zu laufen. Fasziniert folgte Drakonas dem Kind und überlegte, wie er mit ihm Kontakt aufnehmen sollte. Als der Junge den Gauklern zusah, konnte Drakonas ihn genauer betrachten und sah seinen Verdacht bestätigt. Er war Melisande wie aus dem Gesicht geschnitten.
Doch gleichzeitig prüfte er, ob noch jemand den Kleinen beobachtete.
Er bemerkte die Nonne.
Sie fiel ihm aus mehreren Gründen auf. Die anderen Nonnen spazierten in kleinen Grüppchen über den Markt, diese Schwester hingegen war allein. Sie schien sehr darauf bedacht, keiner anderen Schwester zu begegnen, denn wenn eine in ihre Nähe kam, senkte sie den Kopf und verbarg ihr Gesicht hinter den schwarzen Falten ihres Schleiers. Außerdem bewies sie ungewöhnliches Interesse an dem Knaben, denn als Drakonas diesem über das Gelände folgte, tauchte sie überall auf, wo das Kind sich zeigte. Sogar beim Stierkampf – einem Zeitvertreib, der gewöhnlich nicht gerade Nonnen anzog.
Ihr Verhalten dort bestätigte Drakonas' Befürchtungen. Als der Hund das Kind angriff, reagierte sie genauso schockiert wie alle anderen. Sie schien vor Entsetzen wie gelähmt. Dann jedoch wagte sie sich näher, um die Verletzungen des Kindes zu begutachten. Aber sie eilte nicht herbei, um für ihn zu beten und ihn zu trösten, wie man es von einer Schwester hätte erwarten können, sondern verharrte abwartend im Hintergrund, bis Drakonas eintraf. Er versuchte, sie im Blick zu behalten, doch während er die Illusion wirkte, musste er sich ganz auf den Jungen konzentrieren. Dabei verlor er die Frau aus den Augen. Als die Menge sich auflöste, war sie verschwunden.
Hatte sie andere wichtige Geschäfte auf dem Jahrmarkt? Oder eilte sie davon, um ihren Mitverschwörern zu erzählen, dass sie den Sohn des Drachen entdeckt hätte?
Drakonas dachte über seine schwierige Lage nach. Er war mit sich selber unzufrieden. Nun hatte er beide verloren, die Nonne und den Jungen. Natürlich konnte er versuchen, über Drachenmagie mit dem Kind Kontakt aufzunehmen. Diese Idee war jedoch viel zu gefährlich. Wenn das Kind sich Drakonas öffnete,
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