Das verbotene Land 2 - Drachensohn
konnte es sich dabei auch zugleich Grald öffnen.
Also beschloss er, Bellona aufzusuchen. Er ließ den Wald hinter sich und sah sich nach ihr um. Man hatte ihm Beschreibungen ihres Lagerplatzes gegeben, so dass er sie gleich auf Anhieb fand. Sie war dabei, einem Kunden ihre Pelze vorzulegen. Der Mann kannte sich aus, wie man an seinen Fragen und an der raschen, geschickten Art merkte, mit der er die Felle sortierte. Der Handel war bald abgeschlossen und wurde mit einem Handschlag bekräftigt. Er versprach, seinen Lehrling mit dem Geld zu schicken, um die Ware abzuholen. Bellona versprach, beim Zelt zu bleiben. Dann verabschiedeten sich die beiden voneinander. Drakonas hielt sich beobachtend im Hintergrund. Als der Kunde ging, trat er vor.
»Guten Tag, mein Herr!«, begrüßte ihn Bellona gerade noch eben höflich. »Was wünscht Ihr? Wir kennen uns nicht …«
Sie brach ab und kniff die Augen zusammen. Dann tauchte sie in ihr Zelt und schlug die Klappe hinter sich zu.
»Wir müssen miteinander reden, Bellona«, begann Drakonas, der vor dem Zelt stehen blieb. Dort sah er sich sorgfältig nach allen Seiten um, zwischen den anderen Zelten, in Richtung Wald und über die Felder. »Dem Jungen ist etwas zugestoßen. Etwas, wovon Ihr wissen müsst.«
Zunächst kam kein Laut aus dem Zelt. Dann schlug Bellona die Klappe zurück und kam heraus.
Er erkannte sie kaum wieder. Seit ihrer letzten Begegnung waren sechs Jahre vergangen, doch es hätten auch sechzig sein können, so sehr war Bellona in dieser auch für Menschen eher kurzen Zeit gealtert. Das harte Leben hatte sie hager gemacht. Sie schien nur noch aus Knochen und Sehnen zu bestehen. Ihr Gesicht war hohlwangig, der Blick hart, streng und feindselig. Obwohl sie noch jung war, vielleicht erst Anfang dreißig, zeigten sich bereits graue Strähnen in ihren Haaren.
»Wo ist Nem?« Sie funkelte Drakonas wütend an. »Seine Essenszeit ist schon vorüber.«
»Ich habe es gerade gesagt. Ihm ist etwas zugestoßen.«
»Wo steckt er?«
»Als ich ihn zum letzten Mal sah, war er in Sicherheit. Ein zäher, kleiner Bursche. Wie nennt Ihr ihn?«
»Wo ist er?«, fragte sie erneut mit finsterer Miene und glitzernden Augen. »Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
»Ich habe gar nichts gemacht, außer ihn aus einem hässlichen Zwischenfall zu retten«, antwortete Drakonas kurz angebunden. »Wollt Ihr mir jetzt zuhören oder nicht?«
Bellona zögerte, ehe sie sich mit einem knappen Nicken einverstanden erklärte.
Drakonas erzählte von dem Zwischenfall mit der Bulldogge und den vielen Menschen, die einen kurzen Augenblick ein Kind mit Drachenbeinen gesehen hatten. Während er sprach, forschte er nach Anzeichen für Sorge oder Angst auf ihrem Gesicht. Doch es blieb eisern, kalt und hart. Ihre Augen verrieten nichts über ihre Gefühle.
»Ich habe einen Zauber über sein Bein gewebt«, erklärte Drakonas. »Eine Illusion, ähnlich wie damals, als wir angegriffen wurden, an dem Tag, als seine Mutter starb. Der Zauber, der das Fenster so aussehen ließ, als wären die Läden intakt, obwohl sie längst Kleinholz waren.«
Dann hielt er inne, denn er erwartete eine Reaktion. Doch Bellona hatte nichts zu sagen. Also fuhr er fort.
»Für die Umstehenden sah sein Bein wie ein normales Kinderbein aus, zerfetzt und blutig von dem Angriff. Einige zweifelten noch immer, aber sie mussten schließlich ihren eigenen Augen trauen und sind dann abgezogen.«
»War es ein schlimmer Biss?«, fragte Bellona schroff. Selbst diese Frage schien sie Überwindung zu kosten.
»Nein. Seine Schuppen würden sogar einen Dolchstich abhalten. Der Hund konnte ein paar Schuppen lockern, aber das heilt wieder. Seine Wunden verheilen schnell, nicht wahr?«
Wieder wartete er auf eine Antwort, bekam keine und sprach daher weiter. »Ich habe ihn in den Wald getragen, damit die anderen ihn nicht mehr sehen konnten. Dort wollte ich mit ihm reden, ihm erklären, was ich getan hatte. Aber er rannte davon, ehe ich dazu kam. Ich bin ihm nachgelaufen, habe ihn aber aus den Augen verloren.«
Bellona lächelte, ohne den Mund zu öffnen. Zum ersten Mal entdeckte er eine Spur mütterlichen Stolzes. »Ihr würdet Nem niemals finden«, bestätigte sie, »wenn er nicht gefunden werden will. Er ist schnell und kräftig. Und, wie Ihr schon sagtet, Wunden verheilen bei ihm schnell.«
»Ihr macht Euch nicht die geringsten Sorgen um ihn?«, wollte Drakonas wissen.
Bellona zuckte mit den Schultern. »Nem kann auf sich selbst
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