Das verbotene Tal
Junge, daß
du mich hier gefunden hast? Versprichst du mir das? Niemandem!“
Timmy zögerte nur eine Sekunde. „Ich
verspreche es, auf Ehre!“ sagte er dann feierlich.
„Danke, mein Junge, ich verlasse mich
auf dich. Und nun lauf heim, sonst macht sich deine Mom noch Sorgen!“
Der Alte im verblichenen Drillichanzug
sah den beiden nach, als sie den Berghang hinanstiegen. Er schien ganz
vergessen zu haben, daß er durchnäßt war und daß ihn in der kühlen Abendbrise
fror. Von oben blickte sich Timmy noch einmal nach dem alten Bauernhaus um, und
der Mann winkte zu ihm herauf. Timmy erwiderte den Gruß und kletterte dann
durch den Zaun. Lassie folgte ihm dichtauf.
Als sie verschwunden waren, wankte der
Alte langsam zum Stall zurück, und das ganze Tal kam ihm wieder so einsam und
verlassen vor, als sei seit ewigen Zeiten nie jemand dagewesen.
Die Sonne war schon fast hinter die
Berge gesunken, und lange Schatten bedeckten den Waldboden. Diesmal blieben
Timmy und Lassie nicht stehen, um nach Eichhörnchen und Vögeln zu schauen.
Nicht einmal bei der Hütte, die er mit Boomer entdeckt hatte, verlangsamte
Timmy seinen Schritt. Die Zeit drängte!
Etwa hundert Meter von der Stelle
entfernt, wo er heute früh seine Angel eingebüßt hatte, erreichte er den Bach.
Er und Lassie waren ganz außer Atem und mußten unbedingt etwas verschnaufen. Da
— plötzlich... er glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen... da erspähte er
etwas zwischen zwei Steinen dicht am Ufer: seine Angel! Und sogar die neue
Rolle war noch daran!
Eilig stürmte er hinunter, und Lassie
kam in gewaltigen Sätzen hinter ihm her. Ganz leicht ließ sich die Rute aus
ihrer Verklemmung lösen, und abgesehen davon, daß die Schnur heillos verworren
war, schien sie ganz in Ordnung. Aber die größte Überraschung stand Timmy noch
bevor: Das Ende der Schnur war um eine alte Wurzel gewickelt, die ein paar Fuß
weiter aus dem Wasser ragte. Und da, an dem Haken, hing doch tatsächlich eine
ansehnliche Regenbogenforelle! Sie mußte es gewesen sein, die in heftiger
Gegenwehr dem Jungen die Angel aus den Händen gerissen hatte. Und dann war die
starke Strömung zu Hilfe gekommen und hatte alles stromab gerissen, bis die
Angel sich hinter den Steinen verfing!
Timmy faßte den Fisch, der noch ein
wenig zappelte. „Schau, Lassie, was für einen herrlichen Fang wir gemacht
haben!“
Mißtrauisch schnupperte Lassie an der
Forelle, dann drehte sie sich um und lief auf den Pfad zurück. Als Timmy noch
unten stehenblieb und seine Beute bewunderte, bellte sie scharf zweimal.
„Ja doch, ich komme schon!“ rief Timmy.
„Schimpf doch nicht — ich weiß ja, daß es höchste Zeit wird!“
Er schulterte seine Angel und folgte
Lassie nach Hause.
Ruth Martin stand in der Tür und
schaute nach ihm aus. Timmy kam zu spät — aber vor lauter Freude über seine
Heimkehr vergaß sie ganz, ihn auszuschelten.
„Sieh mal, Mom, ist die nicht prima?“
Timmy ließ die Forelle vor ihr baumeln. „Machst du uns die zum Abendbrot?“
„Das geht leider nicht mehr — das
Abendessen ist fertig“, lachte sie. „Aber wenn du den Fisch ausnimmst, legen
wir ihn die für morgen abend aufs Eis. Es ist wirklich eine Prachtforelle!“
„Darf ich sie nicht erst einmal Dad und
Onkel Petrie zeigen?“
„Natürlich. Sie sind draußen im Stall
und unterhalten sich mit Sheriff Bennett.
Timmy lief zum Stall. Ruth rief noch
hinter ihm her:
„Ich lege dir eine Zeitung auf die Verandastufen;
da kannst du deinen Fisch ausnehmen!“
„Danke, Mom, ich komme gleich!“ Damit
stürmte er weiter.
Vor dem Stall hörte er schon Onkel
Petries Stimme.
„Gut, daß du gleich gekommen bist, um
es uns zu sagen, Carl! Dann wollen wir mal die Augen offenhalten.“
„Aber seht euch vor, falls ihr mit dem
Burschen zusammenstoßt!“ Das war die Stimme von Sheriff Bennett, Dads gutem
Freund. „Der Reisende, der ihn von Capitol City im Auto mitgenommen hat, glaubt
ziemlich sicher, seine Tasche habe sich so aufgebauscht, als stecke ein
Revolver darin.“
„Weshalb war er denn im Gefängnis?“
fragte Dad ganz ruhig.
„Er hatte zwanzig Jahre wegen
Straßenraubes“, erwiderte der Sheriff. „Man weiß gar nicht, wie er entkommen
konnte.“
Timmy schauderte. Wie aufregend: Da
steckte ein richtiger, gefährlicher Verbrecher ganz in der Nähe. Junge, Junge!
„Hast du kein Bild von ihm?“ fragte
Onkel Petrie.
„Nein, noch nicht“, meinte Bennett. „Aber
wir haben eine recht gute
Weitere Kostenlose Bücher