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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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ebenfalls Trémorel gehörte. Dieser Schal war voller Blut. Schließlich gelangte man zum Flußufer, erreichte die Weiden, von denen sich Philippe einen Zweig hatte abschneiden wollen, und entdeckte den Leichnam.
    Der Sand des Ufers war an dieser Stelle völlig zerwühlt, als habe jemand versucht, seinen Füßen eine feste Stütze zu verschaffen. Hier, so wies alles darauf hin, mußte der letzte Kampf stattgefunden haben.
    Monsieur Courtois begriff die Wichtigkeit dieser Spuren. »Daß sie mir keiner verwischt!« sagte er.
    Nur von dem Friedensrichter gefolgt, näherte er sich vorsichtig dem Körper. Obwohl man das Gesicht nicht erkennen konnte, waren der Bürgermeister und der Richter überzeugt, daß es die Comtesse war. Beide hatten sie oft in diesem grauen, mit blauen Posamenten besetzten Kleid gesehen.
    Aber wie war sie hierhergekommen?
    Der Bürgermeister vermutete, daß es ihr gelungen war, ihren Mördern zu entkommen, sie war aufs Geratewohl losgelaufen. Man war ihr nachgeeilt, hatte sie hier gestellt und niedergeschlagen.
    Diese Version erklärte die Spuren des Kampfes. Demnach hätten die Mörder den Körper des Comte quer über die Rasenrabatte geschleift.
    Monsieur Courtois redete eindringlich und versuchte, seine Eindrücke Vater Plantat so plausibel wie möglich zu machen. Doch der Friedensrichter hörte kaum zu, man hätte meinen können, er befände sich hundert Meilen von dem Park entfernt; einsilbig murmelte er nur hin und wieder: »Ja, nein, vielleicht.«
    Und der eifrige Bürgermeister gab sich alle erdenkliche Mühe: Er schritt auf, er schritt ab, er maß die Entfernung, untersuchte sorgfältig das Gelände. An dieser Stelle des Ufers war das Wasser nicht tiefer als einen Fuß. Ein Schlickstreifen, auf dem einige Büschel Siegwurz und ein paar schmächtige Wasserlilien wuchsen, fiel sanft zur Mitte des Flusses hin ab. Das Wasser war klar, die Strömung kaum wahrnehmbar; man konnte den glatten, schimmernden Schlick sehr gut sehen. Monsieur Courtois war mit seinen Untersuchungen bis zu dieser Stelle vorgedrungen, als ihn plötzlich ein Gedanke durchzuckte.
    Â»Tönnchen!« rief er. »Komm mal her!«
    Der alte Wilderer gehorchte.
    Â»Ihr behauptet doch«, fragte ihn der Bürgermeister, »daß ihr den Körper von eurem Boot aus gesehen habt?«
    Â»Ja, Herr Bürgermeister.«
    Â»Wo ist denn euer Boot?«
    Â»Dort unten an der Wiese festgemacht.«
    Â»Dann bringt es mal her.«
    Für die Umstehenden war es ganz offensichtlich, daß diese Anordnung den alten Mann verwirrte. Er zitterte und erbleichte unter seiner wettergegerbten Haut. Man gewahrte auch, daß er seinem Sohn einen drohenden Blick zuwarf. »Gehen wir«, antwortete er schließlich.
    Man wollte zum Haus zurückgehen, als der Kammerdiener vorschlug, über den Graben zu setzen.
    Â»Das geht schneller«, meinte er, »ich hole eine Leiter, die können wir drüberlegen.«
    Er lief los und kam eine Minute darauf mit einer Leiter zurück. Doch in dem Augenblick, da er sie über den Graben legen wollte, rief ihn der Bürgermeister zurück:
    Â»Warten Sie, warten Sie...!«
    Die auf beiden Seiten des Grabens von den Bertaud verursachten Fußspuren waren ihm aufgefallen.
    Â»Was ist das denn!« rief er. »Offenbar hat man hier über den Graben gesetzt, diese Fußabdrücke sind ganz frisch.«
    Und nachdem er die Stelle einige Minuten eingehend betrachtet hatte, befahl er, die Leiter etwas weiter weg über den Graben zu legen.
    Dann erreichten sie das Boot.
    Â»Ist das der Kahn, mit dem ihr heute morgen eure Reusen ausgelegt habt?« fragte der Bürgermeister das Tönnchen. »Ja, Monsieur.«
    Â»Nun«, fuhr Monsieur Courtois fort, »wie habt ihr das bloß gemacht? Euer Wurfnetz ist völlig trocken; dieser Bootshaken und die Ruder haben seit vierundzwanzig Stunden kein Wasser mehr gespürt.«
    Die Verwirrung des Monsieurs und des Sohnes wurden mit jedem Wort offenkundiger.
    Â»Bleibt ihr dabei, was ihr behauptet habt?« drang der Bürgermeister in sie.
    Â»Klar«, antwortete das Tönnchen.
    Â»Monsieur«, stammelte Philippe, »wir haben die Wahrheit gesagt.«
    Â»Wirklich?« erwiderte Monsieur Courtois mit einem ironischen Unterton. »Dann erklärt mir mal, wie ihr von einem Boot, das nicht zu Wasser gelassen wurde, überhaupt etwas

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