Das Verbrechen von Orcival
erkennen konntet? Man denkt eben nicht an alles, was? Der Körper liegt nämlich so, daà es unmöglich ist, hört ihr, absolut unmöglich, ihn von der FluÃmitte aus zu sehen. Und könnt ihr vielleicht auch noch erklären, woher die FuÃabdrücke auf dem Gras stammen, die von euerm Boot zufällig genau zu der Stelle führen, an der der Graben mehrmals, und zwar von mehreren Personen, überquert wurde?« Die beiden Bertaud senkten den Kopf.
»Brigadier!« befahl der Bürgermeister. »Nehmen Sie im Namen des Gesetzes die beiden Männer fest und unterbinden Sie jede Verständigung zwischen ihnen!«
Philippe schien niedergeschlagen, während sich der alte Bertaud damit zufriedengab, die Schultern zu zucken und zu seinem Sohn zu sagen:
»Na, du hast es doch so gewollt, nicht wahr?«
Nachdem der Brigadier die beiden Wilderer von seinen Männern hatte abführen lassen, kehrten der Friedensrichter und der Bürgermeister in den Park zurück.
»Keinerlei Anzeichen von dem Comte...«, murmelte Monsieur Courtois.
Also kümmerten sie sich um den Leichnam der Comtesse. Der Bürgermeister lieà zwei Bretter holen, die man überaus vorsichtig auf die Erde legte, um die für die weitere Untersuchung kostbaren Spuren nicht zu verwischen.
Von der Schönheit, dem Charme der Comtesse de Trémorel war nichts mehr geblieben. Das angeschwollene, blut- und schlammverschmierte Gesicht war eine einzige Wunde; ein Teil der Stirnhaut war mit einem Haarbüschel ausgerissen worden. Die Kleider waren zerfetzt. Eine wahnsinnige Wut muÃte von den Ungeheuern, die die Frau getötet hatten, Besitz ergriffen haben. Sie wies mehr als zwanzig Messerstiche auf, man muÃte sie mit einem Knüppel, gar einem Hammer, geschlagen haben, man hatte sie mit FuÃtritten traktiert, an den Haaren gezogen...
In ihrer zusammengekrampften linken Hand hielt sie ein Stückchen gräulichen, billigen Stoff, den sie wahrscheinlich aus der Kleidung eines ihrer Mörder gerissen hatte.
Indem er diese trübsinnigen Feststellungen für sein Protokoll notierte, spürte der arme Bürgermeister, wie ihm die Beine schwach wurden, so daà er sich auf den unbewegten Friedensrichter stützen muÃte. »Tragen wir die Comtesse ins Haus«, ordnete letzterer an, »anschlieÃend können wir uns daranmachen, den Leichnam des Comte zu suchen.«
Der Kammerdiener und der Brigadier waren zurückgekommen, und gemeinsam trug man den Leichnam der Comtesse zum Haus. Dort erwartete sie ein Konzert von Schreien, Wehklagen und Jammern.
»Die Elenden! Eine so gute Frau! Eine so gute Herrin!« Wie man hieran sieht, waren Madame und Monsieur de Trémorel bei ihren Dienstboten sehr beliebt.
Man bettete den Körper der Comtesse auf den Billardtisch im ErdgeschoÃ, als man dem Bürgermeister die Ankunft des Untersuchungsrichters und eines Arztes meldete. »Endlich«, murmelte der gute Monsieur Courtois. Und noch leiser preÃte er zwischen den Zähnen hervor: »Jede Medaille hat eben auch ihre Kehrseite.«
Zum erstenmal in seinem Leben verfluchte er wirklich ernsthaft seinen Posten und den Zustand, daà er die wichtigste Persönlichkeit von Orcival war.
* * *
D er Untersuchungsrichter am Gericht von Corbeil, Monsieur Antoine Domini, war ein respektabler Justizbeamter um die Vierzig mit einem ausdrucksstarken, aber ernsten, zu ernsten Gesicht.
In ihm schien sich die mitunter etwas steife Ernsthaftigkeit des Richterstandes verkörpert zu haben. Von der Erhabenheit seiner Funktionen durchdrungen, hatte er ebendiesen Funktionen sein Leben geopfert und sich die harmlosesten Zerstreuungen, die normalsten Freuden versagt. Er lebte allein, zeigte sich kaum in der Ãffentlichkeit, empfing selten Freunde; er wolle nicht, so sagte er, daà die allzu menschlichen Schwächen dem ehernen Charakter eines Richters Abbruch tun und den Respekt, den man ihm schuldet, beeinträchtigen könnten. Dieser letzte Grund hielt ihn auch davon ab, sich zu verheiraten, obwohl er dazu neigte, sich für einen guten FamilienMonsieur zu halten.
Immer und überall kehrte er den Justizbeamten hervor, das heiÃt einen Vertreter, der fanatisch für das eintrat, was er für am edelsten in der Welt hielt: Gerechtigkeit.
Dabei ist er witzig und hat auch Esprit. Aber seien Sie gewiÃ: wenn er lachen will, dann hinter doppelt verschlossenen Türen; und wenn ihm
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