Das Verdammte Glueck
nie. Sich immer etwas bewahrend von jenem Zauber, als alles stets auch Spiel war, nie ganz ernst gemeint, als nichts wirklich verbindlich war. Als alles immer auch ein Traum blieb, schwebend und nie erreicht, die Fantasie des Schönen und Idealen.
Nach Steffen war Nick gekommen, dann Mike, dann Robert. Keine richtigen Beziehungen, eher die Begeisterung füreinander, wenn man den anderen noch als fernes, geheimnisvolles Rätsel begreift und immer wieder überrascht wird, angenehm überrascht. Man traf sich, man lachte viel, man gab sich Mühe. Unzählige Anrufe, SMS und E-Mails, ein Spiel, nicht mehr, aber vergnüglich. Alles vage, nur ein Versprechen, und immer das Gefühl, jeden Moment könnte sich ein weiteres Tor öffnen in eine prachtvollere, üppigere Welt.
‹Krank› – das war alles, was von der Zeitung, die aus dem Abfallbehälter ragte, noch zu lesen war. Witzig. Ja, vielleicht war alles krank, diese ganze Welt.
Sie stieg aus, wo sie früher immer ausgestiegen war, als sie noch mit Steffen zusammen war. Ein merkwürdiges Gefühl. Als besuchte sie ihre eigene Vergangenheit. Sie glitt mit der Rolltreppe nach oben, blinzelte in die gelbe Abendsonne, deren Strahlen die Häuser zu zerschneiden schienen. Hier hatte sie sich immer schon auf ihn gefreut. Diese genialen Schmetterlinge im Bauch. Die Lust, ihm etwas mitzubringen, ihm eine Freude zu machen. Sie machte einen Abstecher in eine Konditorei und kaufte eine Apfeltasche. Während sie aß, bummelte sie weiter. Auf dem Weg hatte sie damals immer gedacht, dass sie nun nach Hause kommen würde. Sie wollte für immer mit ihm zusammenbleiben. Immer, man stelle sich vor! Aber es hatte sich einfach logisch und richtig angefühlt. Warum noch andere, wenn der eine so etwas Besonderes war? Vor dem Haus blieb sie stehen, nahm den Schlüssel aus ihrer Umhängetasche und musste lachen.
Steffen, es ist vorbei, hörst du das? Hörst du meine Gedanken? Ich bin froh, dass ich von außen auf uns beide blicken kann.
Sie wollte den Schlüssel in den Briefkasten werfen und gehen, doch dann sperrte sie die Haustür auf und ging hinein. Der Geruch hatte sich nicht verändert. Jedes Haus hatte seinen eigenen Duft, dieses roch nach Staub und Zement, manchmal mischte sich auch noch eine süßliche Note dazwischen, nussig, erdig, nicht mal schlecht. An der Wohnungstür lauschte sie – nichts, alles war ruhig. Leises Kindergeschrei durchwehte das Haus. Sie drückte auf die Klingel und wartete. Wenn seine Neue öffnen würde, könnte sie ihr den Schlüssel süffisant lächelnd in die Hand drücken. Aber alles blieb still, keine Schritte, keine Stimmen. Die Wohnung war leer, sie konnte es spüren. Sie wollte den Schlüssel in das Kuvert stecken, das sie extra mitgebracht und beschriftet hatte: ‹Den hatte ich noch, Miriam.› Keine Grüße, nichts. Seine Neue könnte dann fragen, wer denn diese Miriam war, und er müsste ihr von ihr erzählen.
«Mit Miriam war ich mal zusammen.»
«Ach ja? Wie lange denn?»
«Nicht lange ... eineinhalb Jahre, tausendmal länger als mit dir, Pussycat ...»
Sie ließ das Kuvert in ihrer Tasche, sperrte auf, öffnete die Wohnungstür und betrachtete den Flur. Da war die Garderobe, die Truhe, der Spiegel. Am Boden lagen seine Sportsachen, dreckig natürlich, nichts hatte sich geändert. Sie zog den Schlüssel ab, warf ihn auf die Truhe und zog die Tür hinter sich zu. Diesen Mut hätte sie sich gar nicht zugetraut. Einfach hier einzudringen! Der Schlüssel gab ihr jedenfalls nicht das Recht dazu.
Scheiß drauf. Er hätte den Schlüssel ja nur zurückzuverlangen brauchen, aber Steffen kümmerte sich um nichts, war doch spießig, was für Langeweiler. Also konnte sie ruhig mal nachsehen, wie er jetzt lebte. Im Wohnzimmer gab es noch immer nur eine große schwarze Ledercouch, eine gewaltige Stereoanlage und einen Flachbildfernseher, der auf dem Boden stehen musste. DVDs außen herum, auch Schweinkram natürlich, daran musste sie zuerst denken, als sie den Raum betrat. Dutzende Kerzen auf dem Parkett, Champagner, Stray Cats und Porno auf stumm. Auf der Couch oder auf dem Boden liegen, sich krümmen und klammern, auf einem Fell, einem echten Fell wie aus einer kanadischen Blockhütte. Es war kribbelig auf der Haut, aber es törnte an. Es war nicht schlecht, sich einfach gehen zu lassen, zu fallen, bis an die Grenze, nicht drüber, immer schön davor, dann trinken, lachen, küssen, sich necken und wieder weiter. Fast schon wie Sport, wie eine
Weitere Kostenlose Bücher