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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kurz
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ausgewachsenen Raben auf der Schulter. Ihre Augen funkelten mich böse an. «Westseite», meinte sie und deutete mit einem absurd krummen Finger in die entsprechende Richtung. «Da lang.»
    «Okay», sagte ich, «ich schau es mir mal an.»
    Als ich ums Haus rumging, sah ich schon die ganze Bescherung. Fast die gesamte Wandverkleidung hatte sich gelöst und war runtergefallen. Die Wand war brüchig und morsch. Hier war schon seit Jahrzehnten nichts mehr saniert worden, so viel stand fest. Die Fliesen sahen auch nicht aus wie das Zeug, das sie einem heute in den Baumärkten aufschwatzen. Ich hob ein paar Teile auf und prüfte sie.
    «He, hallo!», rief ich.
    «Ja?» Sie brauchte ewig, bis sie es endlich aus ihrem Kabuff schaffte.
    «Hören Sie, das ist Pfefferkuchen. Irgendein Trottel hat Pfefferkuchen an ihr Haus gepappt. Das kann gar nicht halten, verstehen Sie? Das Zeug kann man essen, wenn man gute Zähne hat, aber als Wetterschutz hier im feuchten Wald können Sie das vergessen.»
    Die Alte glotzte mich an, ihr Rabe glotzte mich an, sogar eine schwarze Katze tauchte auf und glotzte mich an, grüne, flackernde Augen. Oje, das wird dauern, dachte ich.
    «Natürlich ist das Pfefferkuchen, ich hatte schon immer ein Pfefferkuchenhaus, das ist Tradition. Und ich will, dass Sie es reparieren.»
    «Hören Sie, gute Frau», sagte ich und hob beschwichtigend die Hände, «ich kann Ihnen doch nicht bröseliges Weihnachtsgebäck an Ihr Häuschen kleben. Das ist Pfusch. Da krieg ich Probleme mit der Innung. Allein die Gewährleistung. Wie stellen Sie sich das vor? Ich kann unmöglich Garantie auf so was geben.»
    «Ich pfeife auf Ihre Garantie. Ich will, dass Sie das reparieren, kapiert?»
    Ich zog die Augenbrauen hoch. Klasse, jetzt wurde die Alte auch noch pampig! Das hatte mir gerade noch gefehlt nach dieser beschissenen Anfahrt. Sicher würde ich mir auf der Heimfahrt an einer Wurzel noch den Auspuff abreißen.
    «Ich mach’s, aber nur schwarz ohne Rechnung, und Garantie gibt’s auch nicht. Da flieg ich noch aus der Handwerkskammer, wenn die hören, ich klebe Lebkuchen an eine Fassade.»
    Die Alte nickte nur, und ich machte mich an die Arbeit. Einige der heruntergefallenen essbaren Kacheln ließen sich noch verwenden. Betonhart, das Zeug. Frisch gebackene Pfefferkuchen hatte die Alte schon vorbereitet. Sie hatte wohl geahnt, dass so was kein Großhandel führt. Ich rührte den klebrigsten Mörtel an, den es gab, und machte mich an die Arbeit. Keine Fuge ließ sich gerade ausrichten, ich würde Stunden brauchen, um diesen Mist abzudichten.
    Plötzlich hörte ich etwas. Irgendjemand machte «Pst!», die ganze Zeit «Pst!». Ich knallte den Mörteleimer hin und ging ums Haus herum. Ich entdeckte einen Anbau, völlig windschief. Das «Pst!» wurde lauter. In einer Art Käfig hockte ein Typ und glotzte heraus.
    «Bist du das mit dem ewigen ‹Pst›?», fragte ich ihn. «Es nervt.»
    «Sei leise, die alte Hexe muss nicht mitkriegen, dass wir hier quatschen.»
    «Wieso? Kann der doch egal sein. Ich arbeite eh nach Quadratmetern, nicht nach Stunden.»
    «Sie hält mich hier gefangen.»
    «Wer? Die alte Schrulle?»
    «Sie ist eine Hexe.»
    «Scheiße», sagte ich, «zieh mich hier bloß in nichts rein, hörst du?»
    «Du könntest meiner Schwester helfen, mich zu befreien.»
    «Deiner Schwester?»
    «Ja, sie versteckt sich da drüben im Wald und wartet auf eine günstige Gelegenheit.»
    «Ah?» Ich sah hinüber zum Wald, aber da war niemand. Der verarschte mich doch, da war ich mir ziemlich sicher. Außerdem konnte es nicht so schwer sein, aus so einer Bruchbude zu fliehen. Zweimal kräftig dagegengetreten, und die ganze Hütte würde umfallen.
    «Ich hab zu tun», sagte ich und sah zu, dass mir der Mörtel nicht hart wurde. Wenn nur dieses dauernde ‹Pst!› endlich aufgehört hätte!
    Als es dunkel wurde, beschloss ich, heimzufahren und am nächsten Morgen wiederzukommen. Der Einladung der Alten, über Nacht zu bleiben, konnte ich bei Gott widerstehen. Ich prügelte den Lieferwagen durch den Wald, da tauchte plötzlich eine Gestalt im Scheinwerferlicht auf. Ein Mädchen, allein, mitten im tiefsten Wald. Ich hielt an, verriegelte aber vorsichtshalber die Tür. Vielleicht hingen ja im Gebüsch noch ein paar Typen rum.
    «Was ist?», fragte ich durch einen Spalt im Seitenfenster.
    «Du bist doch der Fliesenleger, der bei der Hexe das Haus saniert?»
    «Ich repariere die Westseite, sonst nichts.»
    «Du weißt, dass sie meinen

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