Das Verdammte Glueck
eigentlich das Fenster offen?»
«Keine Ahnung ...»
Der Zug fuhr ein, hielt, Türen glitten zur Seite, Menschen drängten heraus. Neugierige Blicke trafen sie, weil sie lachte. Nicht grinste, nicht lächelte, sie lachte, sie konnte nicht aufhören. Wieder saß sie am Fenster, und wieder wurde ihr schwindlig, wenn ihr Blick hinaus auf die schnellen Lichtreflexe im Tunnel fiel.
Chancen
Ich hatte mir 'ne Chance bestellt. Im Internet. ‹Chancen.de›, kann man anklicken. Ganz easy. Bestätigung per E-Mail.
«Wir bedanken uns für Ihr Vertrauen. Wir werden Ihnen morgen Ihre Chance liefern. Bitte stellen Sie sicher, dass jemand die Chance entgegennehmen kann.»
Ich also pünktlich raus am nächsten Morgen. Es läutete, zwei Typen im
Overall standen vor der Tür, ein paar bunte Zettel in der Hand.
«Morgen!»
«Morgen!»
«Wir bringen Ihre Chance, wo soll sie hin?»
«Na», sagte ich, «immer rein in die gute Stube, wohin sonst?»
«Hier?»
Die beiden sahen sich um. So mickrig war meine Wohnung nun auch wieder nicht. Da war ich natürlich schon leicht angefressen.
«Zeigt mir die Chance mal», sagte ich.
Wir gingen raus auf die Straße. Ein Mordstieflader stand da mit gelbem Blinklichtgewitter auf dem Dach. Der Laster versperrte die ganze Straße, die Leute kamen nicht mehr aus der Tiefgarage; Fenster gingen auf, alle guckten, die gerade in der Nähe waren, wirklich alle.
«Was ist denn das?», fragte ich.
«Ihre Chance», meinten die beiden, «sieht man doch. Die kriegen wir aber ganz bestimmt nicht in Ihre Wohnung.»
«Klar», sagte ich, «das sieht ein Blinder. Aber ich habe eine Chance bestellt, eine simple Chance. Einer wie ich will so etwas eben auch mal haben. Und das da ist 'ne Riesenchance, kapiert ihr? Eine Riesenchance ist das, die passt gar nicht in mein Leben. Wo soll ich damit hin? Da müsste ich irgendwo hinziehen, wo mehr Platz ist und wo die Leute es gewöhnt sind, mit Riesenchancen zu leben. Aber hier? Könnt ihr wieder mitnehmen, das Ding! Das nehm ich euch nicht ab.»
Die zwei glotzten mich an, dann glotzten sie auf ihre bunten Zettel.
«Er hat recht», sagte der eine, «hier steht nix von 'ner Riesenchance, wir sind verkehrt. Der kriegt nur die Standardchance. Wie die anderen.»
Ich unterschrieb, dass ich die Ware nicht annehme, und sie sprangen auf ihren Bock, schickten eine Dieselwolke in den Himmel und rauschten ab.
Panitzky stand da in seinen ewigen Badeschlappen.
«Na, Berti», feixte er, «wär 'ne Riesenchance gewesen für einen wie dich.»
«Na und? Brauch ich die vielleicht?»
«Wer braucht die nicht?»
«Darauf kann ich verzichten», sagte ich und ließ ihn stehen. Drei Tage später kam dann die Chance. Ganz normal als Brief. Der Bote musste nicht mal läuten, das Kuvert passte bequem durch den Schlitz in der Tür. Ich riss es auf, im Wohnzimmer bei einer Tasse Kaffee. So hatte auch ich mal eine Chance. Na ja, war ganz nett ... irgendwie.
Job im Wald
Als ich mit dem Lieferwagen zum zweiten Mal festhing, wusste ich, das wird wieder so ein Tag. Die Stiefel im Morast, versuchte ich den Reifen mit Tannenzweigen wieder Halt zu verschaffen. Allein war das schwer. Aber gute Leute findest du wohl auf der ganzen Welt nicht mehr. Die einen kommen schon besoffen zur Arbeit, und die anderen räumen dir bei der ersten Gelegenheit dein Lager aus. Das Handwerk hat es richtig schwer. Ich fluchte. Dieser ganze dunkle Wald hing mir zum Hals heraus. Worauf hatte ich mich da wieder eingelassen? Aber einen Auftrag ablehnen? Nie im Leben, so rosig sind die Zeiten nicht. Also weiter, Zweige unter die Reifen, rauf auf den Bock und vorsichtig Gas geben. Irgendwann grub sich die Karre endlich frei. Ging verdammt viel Zeit drauf, und die Anfahrt konnte ich nur pauschal abrechnen. Na gut, was sollte ich machen.
Endlich sah ich das Haus von der Alten. Mitten im Wald auf einer kleinen Lichtung. Da möchte ich nicht geschenkt wohnen. Ich parkte, stieg aus, ließ meine Blicke schweifen. Es war eigenartig still. Oben ringelte sich weißer Rauch aus einem windschiefen Kamin. Hoffentlich krachte der erst runter, wenn ich schon wieder weg war. Ich suchte die Glocke, aber die gab’s hier wohl nicht. Ich klopfte. Nichts. Ich klopfte noch einmal. Endlich eine Stimme. Krächzend wie ein rostiges Scharnier. Ach du Scheiße, dachte ich.
«Wer ist da?»
«Der Fliesenleger», sagte ich, «Schmidtbauer Rudi.»
Die Tür ging auf. Vor mir stand ein uraltes verhutzeltes Weib mit Hakennase und einem
Weitere Kostenlose Bücher