Das verdrehte Leben der Amélie, 3: Sommerliebe (German Edition)
gleich kotzen …«
Ich dachte wirklich, Kat kotzt gleich mit (hätte ich bestimmt getan), aber sie hat sich zusammengerissen. Ich habe es nicht zur Toilette geschafft. Ich habe weiter in den Mülleimer gekotzt , bis ich fast ohnmächtig war. Schließlich hat ein Sicherheitsmann nach uns geschaut und meine Mutter angerufen, die uns abgeholt hat.
Ich war total grün im Gesicht. Erst wollte meine Mutter mich in den Arm nehmen, aber dann war sie bei meinem Anblick doch etwas zurückhaltend, um nicht zu sagen angeekelt (völlig verständlich, nachdem ich mich im Spiegel gesehen habe).
Zurück zu heute Abend, 20:11
Liebe 11 Uhr 11,
ich weiß, es ist eigentlich nicht 11 Uhr 11, aber mein Wunsch ist wirklich extrem dringend und wichtig, so in der Größenordnung »Bedrohung des Weltfriedens«. Ich habe im Internet nachgeschaut, und in Wladiwostok in Russland ist es jetzt gerade 11 Uhr 11, also müsste es klappen, auch wenn es in einem anderen Land ist. Es hat noch niemand bewiesen, dass es 11 Uhr 11 im eigenen Land sein muss, damit der Wunsch in Erfüllung geht. Also, wenn das nicht geht, sollte man die Leute benachrichtigen, die bei dir in der Wunschfabrik die Gebrauchsanweisungen schreiben, sonst kann das ja nichts werden! Ich sage das jetzt nur, um das System zu verbessern, nicht, weil ich sauer bin oder mich beschweren will. Wenn ich mich beschweren wollte, dann darüber, dass du Lucas in One Tree Hill nicht bei seinem Liebeskummer geholfen hast, worum ich neulich gebeten habe, aber na ja. Ich kann verstehen, dass du diesen Wunsch nicht erfüllen konntest, vermutlich gibt es auf der Welt ein paar dringendere Sachen. Also, liebe 11 Uhr 11 in Wladiwostok in Russland, ich wünsche mir, dass Nicolas mich heute nicht gesehen hat. Das ist alles, worum ich dich bitte. Nicht weiter kompliziert. Die Mädchen aus der Elften dürfen ihren »Schuluniform-Kampf« gewinnen, ich kann sitzenbleiben, ich will nur, dass Nicolas mich nicht beim Kotzen gesehen hat, das ist alles. Danke ( spaciba , in deiner Sprache).
Juni: Schweres Gepäck
Samstag, 3. Juni
E s ist ganz einfach! Ich lasse mir die Nase operieren. Es geht mir gut und ich bin total über die Trennung von Nicolas hinweg. Nur mein Geruchsgedächtnis ist es nicht, doch das liegt außerhalb meiner Kontrolle, der Mensch ist nun mal so gemacht (aber das wird sich ändern, sobald ich meine Mutter von der Notwendigkeit eines kleinen chirurgischen Eingriffs überzeugt habe). Die Biologie hat’s bewiesen.
11:01
Meine Mutter sitzt im Wohnzimmer und telefoniert. Ich stapfe um sie herum, die Hände auf dem Rücken.
11:02
Mit dem rechten Zeigefinger schiebe ich die Nagelhaut am Daumen zurück, mit dem linken drehe ich eine Haarsträhne ein.
11:03
Meine Mutter deckt den unteren Teil des Hörers mit der Hand ab und fragt:
»Kann ich irgendwas für dich tun?«
Ich: »Nein, nein … lass dir Zeit.«
Meine Mutter (ins Telefon): »Hör mal, ich rufe dich später zurück, ja?«
11:04
Meine Mutter legt auf und sieht mich fragend an.
Meine Mutter: »Was gibt’s, meine Große?«
Ich: »Ich muss mir die Nase operieren lassen.«
Meine Mutter: »Was?!? Deine Nase ist doch perfekt. Hast du Komplexe?«
Ich: »Nein! Meine Nase ist schon o.k. Na ja … sie könnte vielleicht etwas kleiner sein. Und außerdem ist das linke Nasenloch ein bisschen größer als das rechte und manchmal finde ich schon, dass sie etwas … symmetrischer sein könnte. Aber das ist gar nicht das Problem.«
Meine Mutter: »Also was ist das Problem?«
Ich: »Das Problem ist, dass ich nicht mehr … bestimmte Sachen riechen will.«
Meine Mutter: »Zum Beispiel?«
Ich: »Vor allem einen gewissen Weichspüler und eine gewisse Sorte Kaugummi. Melone, um genau zu sein. Das macht mich verrückt.«
Meine Mutter: »Dann riech doch einfach nicht mehr dran! Deshalb lässt man sich doch nicht operieren!«
Ich: »Du verstehst das einfach nicht! Mein Geruchsgedächtnis dreht durch, wenn ich diese Sachen rieche! Das halte ich nicht mehr aus! Wenn ich diese Sachen nicht mehr riechen muss, dann denke ich auch nicht mehr an …«
Meine Mutter: »An was?«
Ich: »An … Nicolas.«
Mein blödes Herz fängt wie wild an zu schlagen! Ich zwinge meine Augen, geöffnet und trocken zu bleiben. Und verpasse meinem Brustkorb einen kleinen Schlag.
Meine Mutter: »Ach, mein Floh!«
Sie breitet die Arme aus, als wolle sie, dass ich mich an sie drücke. Doch ich bleibe stocksteif vor ihr stehen.
Ich: »Was habe ich dir gesagt
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