Das verdrehte Leben der Amélie, 3: Sommerliebe (German Edition)
Flasche hat immer noch nicht auf mich gezeigt. Dafür musste ich mitansehen, wie Nicolas eine superhübsche Rothaarige geküsst hat (die Lauriane heißt oder so ähnlich, grrrr).
Dann dreht Tommy die Flasche und sie zeigt … auf mich. Ich merke es erst gar nicht, weil ich so in Gedanken bin und mir immer wieder vorstellen muss, wie Nicolas diese Lauriane küsst. Da sehe ich, dass Tommy auf mich zukommt. Ich springe auf und spüre, dass meine Augen kugelrund werden, kurz sehe ich Nicolas an, der mich zum ersten Mal an diesem Abend wahrnimmt (glaube ich zumindest) und weiß nicht, was ich machen soll. Tommy zu küssen würde in Nicolas Erinnerungen wachrufen, die mir bei meinem Zurückeroberungsplan bestimmt nicht helfen. Aber ihn nicht zu küssen, würde Tommy in eine unangenehme Lage bringen.
Da sagt Tommy plötzlich:
»Hey, dieses Spiel ist blöd. Ich kann Amélie nicht küssen, wir sind doch Kumpel. Ich passe.«
20:52
Ich sitze auf dem Sofa. Allein. Kat redet mit Ham. Tommy redet mit ein paar Jungs. Ich fühle mich total außen vor. Und habe schon wieder heiße Augen. Bestimmt weil es so warm ist und das Haus keine Klimaanlage hat.
Ich fühle mich total lächerlich mit meinen aufgebauschten Haaren. Ich betrachte Kat und komme zu dem Schluss, dass unsere Frisuren aussehen, als wären sie Signale an die Außerirdischen auf dem Jupiter. Diese blöde Miss gibt nur bescheuerte Ratschläge. Wie konnte meine Mutter mich nur so aus dem Haus lassen? Aber das wundert mich nicht. Ihr Fotoalbum beweist, dass sie früher selbst in allen möglichen grässlichen Looks rumgelaufen ist. Zehn Zentimeter hoch toupierte Haare, riesige Ohrringe und total grauenhafte Blusen mit Zeitungsmuster. Man darf ihr in Stylingfragen nicht vertrauen!
Meine Rückeroberungspläne sind komplett ins Wasser gefallen. Im Moment sehe ich jedenfalls weder so aus als hätte ich Spaß, noch wie ein Mädchen, das tolle Sachen zu erzählen hat und schon gar nicht, als wäre ich unabhängig und unerreichbar.
Zum Zeitvertreib versuche ich, meine Haare mit den Händen etwas zu glätten.
20:53
Ich habe gerade beschlossen, die Party zu verlassen, als ich sehe, dass Nicolas in meine Richtung kommt.
20:54
Eindruck bestätigt: Nicolas kommt auf mich zu. Ich beuge schnell den Kopf zwischen den Beinen zu Boden (so kriegt man Schwung ins Haar, behauptet zumindest die Miss in dem Artikel »Glattes Haar in Bestform«) bevor er bei mir ist. Vielleicht war doch nicht alles umsonst. Als ich den Kopf wieder hebe, steht er dummerweise schon genau vor mir und meine Haare sind ein einziges Durcheinander (o.k., ich habe gerade keinen Spiegel, um das zu überprüfen, aber sie liegen nicht wie sonst rechts und links hinter meinen Ohren, also schließe ich daraus: ein einziges Durcheinander). Ich schüttele den Kopf, um sie wieder in Form zu bringen (er denkt garantiert, ich habe einen nervösen Tick entwickelt) und eine breite Strähne bleibt an meinem Lipgloss kleben. (Oh nein! Jetzt denkt er – so wie alle anderen, die mich noch aus meinen unrasierten Zeiten kennen – dass ich unter starkem Haarwuchs leide, Härtestufe Damenbart!)
20:55
Nicolas: »Hallo.«
Ich streiche meine Haare hinters Ohr, aber ich schaffe es nicht, die Strähne von meinen klebrigen Lippen zu lösen. Ich versuche, sie wegzupusten.
Ich: »Ffffff … hallo.«
Mein Herz: »Bumm-bumm!«
Nicolas: »Wie geht’s?«
Ich: »Fffff … ganz … ffff … gut.«
Mein Herz: »Bumm-bumm-bumm-bumm.«
Nie wieder: Lipgloss benutzen! Kann Lispeln verursachen und/oder arrogant wirken.
20:57
Nicolas nähert seine rechte Hand meinem Gesicht. Gerade als ich denke, er will mich küssen und ihm schon das Kinn entgegenstrecke, befreit er meinen Mund von meinen Haaren und zieht die Hand sofort zurück. Großes Unbehagen.
20:58
Nicolas und ich sitzen uns gegenüber und sehen uns eine lange Minute schweigend an.
Aus dem Augenwinkel sehe ich Kat, die sich mit Ham unterhält. Sie scheint die Situation völlig im Griff zu haben. Immer wenn Ham sich ein bisschen nähert, macht sie eine große Blase mit ihrem Kaugummi und er lacht. Kat spielt die Unerreichbare wirklich perfekt.
Ich breche das Schweigen:
»Magst du immer noch so gerne Melonenkaugummi?«
Er: »Ja.«
Ich: »Hast du welches?«
Er: »Ja. Hier.«
Er gibt mir eins.
Ich: »Danke.«
Mein Herz: »Bumm-bumm-bumm-bumm.«
Ich fange an zu kauen. Dabei drehe ich mich ein bisschen zur Seite, weil das Kaugummi ziemlich hart ist und ich das Gefühl habe,
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