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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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auf einen zweiten gab er einen Warnschuß ab, der den Bart des Riesen gegen ein Holzschild nagelte.
    Es entstand Tumult.
    Rodraeg wurde geweckt.
    Die Riesen, selbst ihre Krieger, hielten sich zurück. Dies war eine Angelegenheit zwischen den Zepterüberbringern.
    Hellas fand den Ausgang und überquerte die Wiese in Richtung Wald.
    Als Rodraeg hinter ihm herhastete und seinen Namen rief, blieb der Bogenschütze stehen und legte auf Rodraeg an. Rodraeg blieb wie angewurzelt stehen.
    Â»Hellas?! Was tust du? Was soll das?«
    Â»Jetzt haben sie mir wirklich alles genommen«, antwortete Hellas mit ruhiger Stimme. »Meine Haare. Sie wachsen an den Wurzeln braun nach. Weil mein Körper nicht mehr mein Körper ist.«
    Â»Deine Haare? Aber was ist so wichtig daran? Du kannst wieder gesund sein, genau wie ich!«
    Â»Du verstehst es nicht, oder? Meine Haare sind weiß geworden, weil ich meine Frau verloren habe! Weil ich ihre Schänder ermordete und mich sogar in ihre Särge noch einschlich, um ihre Leichname in Fetzen zu reißen. Wahrscheinlich ist jetzt auch die Angst vor engen Räumen weg, die ich seitdem hatte. Weil das Zepter Gott gespielt hat und mir einen Gefallen tun wollte, um den ich nie gebeten habe.«
    Â»Aber … aber … Hellas, du bist doch immer noch du selbst. Du hast all deine Erinnerungen. Wen kümmert die Farbe deiner Haare?«
    Â»Weiß war das Zeichen meines Schmerzes. Soll ich von jetzt an herumlaufen wie jeder andere auch, jedem Tag dem Gedenken an meine Frau ins Gesicht spottend? Sieh her, Saciel: Ich bin entkommen! Bin gesundet! Bin von dir frei! Nein, nein, Rodraeg, es ist viel schlimmer als das. Warte, ich werde dir etwas zeigen.«
    Hellas schoß. Rodraeg war viel zu verblüfft, um auch nur den Versuch eines Ausweichens zu unternehmen. Der Pfeil schlug ihm durch die Brust. Rodraeg wollte stehenbleiben, etwas sagen, sich festhalten, doch etwas stimmte mit der Blutzufuhr in seinen Kopf nicht mehr. Ihm wurde schwarz vor Augen und er brach zusammen.
    Der Bogenschütze ging zu ihm hin und blickte auf ihn hinab. Sie befanden sich jetzt ziemlich genau an der Stelle, wo sie beide sich hier draußen ausgeruht hatten, während Naenn und die anderen in der stickigen, rußigen Höhle die erste Verhandlung mit den Riesen führten.
    Â»Siehst du, Rodraeg Delbane, auch das macht mir nichts aus. Ich empfinde nichts. Mein Schmerz wurde mir genommen durch die Arroganz einer verfluchten Höhle, das letzte bißchen an Mitleid und Gefühl, das mir noch verblieben war, ist nun weg. Ich bin kein Hellas Borgondi mehr. Ich bin niemand und niemandes Freund.«
    Rodraeg röchelte wieder, wie zur Zeit seiner Vergiftung. Seine krampfende Hand furchte ziellos den Wiesengrund.
    Der Bogenschütze verscheuchte eine Fliege, die sich auf den Sterbenden setzen wollte. »Aber wie ist das eigentlich mit dir? Warum kämpfst du nicht an gegen den Pfeil in deinem Leib? Warum läßt du dich in eine Schwarzwachshöhle schikken und dir dort die Lunge mit Gift vollschaufeln, damit eine andere unbarmherzige Höhle dir einen neuen Körper basteln kann aus Kerzenwachs und Fett und du weiterleben und dich von Aasfliegen fressen lassen darfst, als wäre nichts geschehen? Was stimmt mit dir nicht? Du läßt dich ausbeuten und manipulieren und machst immer noch weiter im Sinne dieses verrückten Magiers, der nicht einmal seinen eigenen Alterungsprozeß unter Kontrolle hat? In wenigen Monden wird er plärrend seine Windeln vollscheißen, und du wirst ihn dann immer noch als Maßstab allen Wissens akzeptieren! Kämpf doch mal dagegen an, du kurioser Dulder. Kämpfe an gegen das, was andere aus dir formen möchten. Aber – ich vergaß: Dazu ist es schon zu spät. Du bist ja auch nicht mehr du selbst. Die Riesen haben dafür gesorgt. Von uns vier armen Narren ist nur noch Bestar übriggeblieben.«
    Der erschien jetzt im Höhleneingang, riesengewandet, riesenbärtig. Hellas mußte beinahe lachen, als er ihn sah.
    Bestar erfaßte die Lage. Rodraeg mit dem Pfeil im Leib, Hellas mit dem Bogen über ihm. Wutschnaubend stürmte der Klippenwälder los und wirbelte mit seinem Kampfstab.
    Hellas begutachtete mit seiner Pfeilspitze Bestars gesamten Körper. Die Halsadern, die Augen, die Achselhöhle, die beim Rennen fahrlässig auseinanderklaffenden Segmente der Lederrüstung, die Kniescheiben, sogar die den Stab

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