Das vergessene Zepter
hin. »Hört mich an«, begann der Riese. »Wir stehen vor einer schweren Entscheidung. Rodrachdelban ist nicht verloren, wiewohl sein Dasein nur noch aus einem Funkeln besteht, das sich in einem Tropfen Tau an einem Morgenblatte fängt. Ja, Eljatoskan: es ist ein Licht in ihm. Das Licht, das nur jene in sich tragen, die einer tiefen Liebe Antlitz kennen. Das Zepter hat schon einmal Rodrachdelbans Seele in einen neuen Körper überführt, doch auch der neue ist nun zerstört. Wir könnten ihm den alten Körper wiedergeben, doch dies würde er nicht lange überleben, denn zu zerfressen war dieser Leib von einem schwarzen Gift. Wir können ihn in dem neuen Körper lassen, doch auch dies würde er nicht lange überleben, weil der Pfeil seines Freundes ihm das Herz zerriÃ. Was sollen wir also tun?«
»Nicht noch mal das schwarze Gift«, sagte Eljazokad. »Alles, nur nicht noch mal das schwarze Gift. Setzen wir lieber auf das Licht.«
»Dann also die Wunde des enttäuschten Vertrauens. Mit Hilfe des Lichtes könnte er es schaffen. Das Licht zeigt jene junge Frau, die mit euch bei uns war und die Verhandlung führte.«
»Naenn«, nickte Eljazokad. »Sie ist in Warchaim.«
»Dann werden wir euch drei dorthin bringen ohnâ Zeitvergehen, mit Hilfe des Zepters, so, wie es Bestarmekin hierherbrachte. Die Frau in dem Licht kann dieses Licht öffnen, so daà sein Schein Rodrachdelbans Leib erfüllen und wärmen und heilen kann.«
»Dann schickt uns sofort, wahrscheinlich zählt jeder Augenblick.«
»Dies hier soll noch für euch sein«, sagte der Sprecher der Riesen, »und es tut mir leid, daà nicht mehr Zeit ist für angebrachte Würdigung und Ehre. Je ein Bernstein für jeden von euch dreien, die ihr das Zepter brachtet. Obwohl einer von euch euch verraten hat, sollt ihr seinen Lohn dennoch unter euch teilen können. Und dies hier sei für dich, Bestarmekin, Bändiger der Schemen und Bruder der Riesen.« Attanturik zog ein eigenartiges Schwert aus einem eingefetteten Futteral. Es war dem Zepter nicht unähnlich, zackig und schartig, aus äderigem, unbearbeitetem Metallerz wie mit GuÃgraten gewachsen, und es war für einen Riesen zu klein. »Dies ist Skergatlu, das Erzschwert, welches Rulkineskar schuf, damit wir es dereinst einem Menschenkönig schenken. In Ermangelung eines Königs, der dieser Ehre würdig ist, sollst du dies Schwert nun haben. Du hast dein eigenes Schwert zerbrochen, um die Schemenreiter in Schranken zu weisen und uns solcherart das Zepter zu ermöglichen. Nimm es an und schlieÃe damit Obdach und Schutz bei dem Riesen auf, wann immer du ohnâ Obdach und Schutz in der Welt der Menschen nicht mehr bestehen kannst.«
»Ich ⦠weià ⦠nicht, was ich ⦠sagen soll«, stammelte der Klippenwälder. Er hatte Schwierigkeiten, sich auf etwas anderes als Rodraegs Zustand zu besinnen, aber das Schwert sprach seine sämtlichen Instinkte an. Es war groÃartig! Klinge und Griff bestanden aus einem Stück, es war wild, schwer, dunkel, kantig, rasiermesserscharf und vollkommen einzigartig. »Ist es ⦠stabil genug, um eine Waffe zu sein, oder soll ich es besser ⦠in mein Zimmer stellen als eine Auszeichnung?«
»Niemandem wird es gelingen, es zu zerbrechen«, lächelte Attanturik. »Fortan soll dies deine Waffe sein: Skergatlu.«
»Skergatlu«, hauchte Bestar und nahm das Schwert samt Futteral an sich. Eljazokad verstaute die drei Bernsteine, von denen jeder wohl wieder etwa einhundert Taler einbringen würde, wenn Cajin den Verkauf tätigte.
»Kommt nun«, winkte Attanturik, »wir bringen euch nach Hause.«
»Drei Sachen noch«, fielen Eljazokad ein, als sie schon durch dichten Rauch dem Ort entgegenschritten, wo Rodraeg lag. »Erstens: Wir hatten versprochen, den Händlerkarren, mit dem wir hierhergekommen sind, nach Warchaim zu bringen und dort in Rigurds Stall abzuliefern. Könnt ihr dafür sorgen, daà die Ritterin oder Bhanu Hedji sich darum kümmern?«
»Rigurds Stall, Warchaim. Es soll geschehen«, bestätigte der Riese.
»Zweitens: Es tut uns sehr leid, daà euer Schamane von Hellas angeschossen wurde. Ich hoffe, er ist wohlauf.«
»Das ist kaum der Rede wert. Das Zepter wird viele Riesen auf die Welt bringen, was ist da schon die Wunde eines
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