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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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führende Hand. Wie unsinnig es war, einen ausgezeichneten Schützen so angreifen zu wollen. Hellas hätte ihm sieben, acht Pfeile in den Leib jagen können, bevor Bestar ihn auch nur erreichen konnte.
    Doch Hellas hatte keinen Spaß mehr am Töten. Selbst dieser Spaß war nicht mehr da. Er schoß einen Pfeil dorthin in die Wiese, wo Bestars rennender Fuß als nächstes aufsetzen mußte. Bestar trat, anstatt auf Grasboden, auf einen hochstehenden Pfeilschaft und strauchelte. Hellas setzte ihm einen zweiten Pfeil unter den anderen Fuß, und Bestar wurde vom Schwung seines eigenen Ansturms mit großem Getöse ins Gras gehebelt. Benommen richtete er sich wieder auf.
    Â»Laß es sein, Bestar«, mahnte ihn Hellas. »Anstatt von mir sinnlos erschossen zu werden, könntest du Rodraegs Leben retten, wenn du ihn schnell zu den Riesen bringst. Vielleicht können sie ihm einen dritten Körper basteln.«
    Â»Du Hund, damit kommst du nicht durch«, keuchte Bestar, der tatsächlich hin- und hergerissen war zwischen seiner Liebe zu Rodraeg und seinem Haß auf den wahnsinnig gewordenen Hellas. »Ich werde dich zur Strecke bringen, das schwöre ich dir.«
    Â»Das kannst du gerne versuchen. Wohin werde ich mich wenden? Laß mich nachdenken. Ich hätte Lust, einen Krieg zu beginnen. Ich könnte nach Norden gehen, ins Land der Affenmenschen, und dort zu Ende führen, wozu die Königin nicht in der Lage war. Oder nein, noch besser: Ich gehe nach Endailon, wo die königlichen Truppen sich immer sammeln, wo man nach mir fahndet, weil ich damals abgehauen bin. Ich werde mich mit eintausend Pfeilen ausrüsten, und dann stelle ich mich mitten zwischen eintausend goldblaue Schwachköpfe und sage: ›Hier bin ich!‹ Und dann wollen wir doch mal sehen, wer am Ende übrigbleibt.«
    Â»Hellas«, stöhnte Bestar, der durch die ruhige Stimme des Bogenschützen wie an einer Leine in tiefe Verzweiflung geführt wurde, bis überhaupt keine Kraft mehr in ihm war, »was ist denn nur geschehen? Was ist denn nur geschehen?«
    Hellas blickte zurück zu der Höhle, wo Riesenkrieger standen und wo nun auch Eljazokad sich nach vorne durchdrängte.
    Â»Ich habe die Wunder gesehen, die ich suchte«, sagte er leise. »Und diese Wunder haben mich vernichtet.« Er hängte sich seinen Bogen über die Schulter und ging unbehelligt davon, nach Südwesten, in die Richtung, in der Endailon lag.
    Bestar riß sich zusammen. Auf allen vieren krabbelte er zu Rodraeg hin. Der röchelte noch, aber es ging zweifelsohne zu Ende. »Nicht sterben, nicht sterben, nicht sterben«, brabbelte Bestar. Dies war die genaue Umkehrung ihrer Situation im Terreker Talkessel, als Bestar mit einem Kruhnskriegerspeer im Bauch am Boden gelegen hatte und Rodraeg ihn am Sterben hinderte. Rodraeg hatte ihm damals Abenteuer versprochen und Landschaften und schöne Frauen. Er hatte ihm den Trank geschildert, den er ihm einflößte. Bestar hatte das alles mitbekommen, sich daran festgehalten wie an einem Rettungsseil. In einem Teich aus Schmerzen treibend, hatte er keine Anhaltspunkte gehabt, an welchem Ufer das Leben und an welchem der Tod zu finden waren, und Rodraegs Stimme hatte ihm in seiner Hilflosigkeit den richtigen Weg gewiesen. Jetzt wollte er dasselbe für Rodraeg tun, während er den schmalen, von vielen Strapazen ausgemergelten Leib des Mammutanführers ganz vorsichtig auf seine Arme hob.
    Â»Ich weiß, daß es ganz sicher eine Erklärung gibt«, begann Bestar zu reden, während er Rodraeg so schnell wie möglich zur Höhle zurücktrug. »Hellas hat irgend etwas geraucht oder eingenommen, was ihm zu Kopf gestiegen ist. Er hat dich nicht erkannt, hat Angst bekommen wie sonst immer in der Höhle. Jedenfalls … ist es ein Rätsel, und du wirst ja wohl nicht abkratzen wollen, ohne die Antwort zu erfahren, oder? Ihr habt doch alle die komischen Fragen der Höhle richtig beantwortet, weißt du noch? Wenn ich kein Wasser habe, habe ich erst recht Wasser. So ein Quatsch. Ihr habt mir das immer noch nicht erklärt! Und … und … Naenn, denk doch an Naenn, du hast doch in der Höhle auch dauernd an Naenn gedacht. In jedem Zimmer, ich habe dich sogar aufgezogen damit. Du willst doch bestimmt ihr Kind noch sehen. Das wird ein Mädchen und sieht dann genauso aus wie sie, nur mit kürzeren Armen und Beinen, das wird

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