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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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erklären sich aber gegen weitere Bernsteine bereit, vorerst beim Riesen zu bleiben und für diesen zu streiten. Der Riese wird jetzt, wo er ohn’ Schemenreiter ist, Menschen brauchen, die für ihn mit anderen Menschen in Umgang treten können.«
    Â»Die Schemenreiter«, hakte Bestar ein. »Sind sie schon fort?«
    Â»Sie werden heute nacht den Riesen verlassen und sich dem Dunkel zuwenden, aus dem sie einstens kamen«, sagte König Turgenngranet feierlich.
    Â»Ich möchte gerne beim Abschied dabei sein«, sagte der Klippenwälder.
    Die anwesenden Riesen steckten kurz die Köpfe zusammen. »Dies wird eine Stunde sein der tausend Sonnenwandel Treue. Kein Mensch darf diese Stunde stören. Doch du bist Bestarmekin, der Schemenbezwinger. Dich werden sie in Ehren willkommen heißen, wenngleich, vergebt uns, ausschließlich dich.«
    Â»Das ist wahrscheinlich besser so«, beschwichtigte Rodraeg. »Unser Kampf gegen die Schemenreiter war zu heftig und schrecklich. Wir würden den Abschied mit Empfindungen stören, die bei einem solchen Ereignis nichts verloren haben.«
    Rodraeg und Eljazokad schauten nur kurz beim dröhnenden, qualmenden und scheppernden Fest vorbei. Die Ritterin und Bhanu Hedji waren ebenfalls dort und ließen sich in den Tanz der dreibeinigen Paare einweisen. Die beiden Frauen wurden von den Riesen mit ausgesucht altmodischer Höflichkeit behandelt. Schon nach einer halben Stunde zogen Rodraeg und Eljazokad sich aber wieder zurück, um ihre Quartiere zu beziehen und sich zehn Stunden lang tief und traumlos dem Schlaf der Erschöpfung hinzugeben.
    Bestar begleitete in dieser Nacht Klellureskan, Kurgattunek und die anderen Riesenkrieger, die sich vom Fest entfernt hatten, zum Stelenfeld der Ahnen. Dort standen die letzten vier Schemenreiter unter dem vollen Mond und wehten in einem unspürbaren Wind.
    Die Krieger der Riesen stimmten einen tiefen, volltönenden Gesang an und hoben ihre Waffen zum Zeichen der Ehrbezeugung. Bestar brummte die Melodie mit, so gut er konnte, auch wenn er die Worte nicht verstand. Schließlich zogen auch die geisterhaften Reiter ihre Schwerter und hielten die Klingen nach oben zum Mond. Sie wandten sich nicht dem Dunkel zu, wie Turgenngranet es formuliert hatte. Sie wandten sich zum Licht der Nacht. Das kühle Silber des Mondes lief zähflüssig über ihre vier Klingen nach unten und umhüllte sie alle mit einem gleichmäßigen Schimmern. Bestar hatte das Gefühl, daß einer der Reiter ihn ansah, und er nickte und blickte zurück, ohne ein Zeichen der Rührung erkennen zu lassen. Wenn ein Krieger tausend Jahre lang gedient hat und nun von einer neuen Zeit abgelöst wird, ist dies kein Augenblick der Trauer, sondern des Stolzes.
    Das Schimmern löste sich auf. Dort standen keine Reiter mehr. Sie waren fort. Gesenkten Hauptes kehrten die Riesen zum Fest zurück. Bestar trieb sich noch eine Weile allein draußen herum, dann ging auch er zusammen mit Kurgattunek, der am Höhleneingang auf ihn gewartet hatte, wieder in den Lärm, das Licht und den Qualm würziger Tabakblätter.
    Der folgende Tag war Mittelrauch, der 15. Rauchmond.
    Hellas Borgondi erwachte wie aus einem düsteren und lang anhaltenden Traum. Er befühlte seinen bandagierten Kopf, die Narbenkerbe unter seinem Verband, die festgeklebten Maulbeerblätter auf seinem Leib, die Zahnlücke, die seinem Mund für immer etwas Fehlerhaftes verleihen würde, so daß er nicht mehr lächeln durfte.
    Dann gerieten ihm ein paar seiner Haare zwischen die Finger, die ihm beim Wechseln des schorfigen Kopfverbandes ausgerissen worden waren. Lange betrachtete er sie. In seinem Gesicht spiegelte sich nichts.
    Als eine Drittelstunde später der langmähnige Riesenschamane den Krankenraum betrat, griff Hellas sich seinen Bogen, den Rodraeg neben ihn hingelegt hatte, um ihn zu beruhigen, legte einen Pfeil ein und schoß dem völlig überrumpelten Riesen in die Brust. Ein einziger Pfeil genügte nicht, um einen Riesen zu töten, aber der Schamane sackte immerhin zusammen und kam Hellas nicht mehr zu nahe. Beinahe mitleidig blickte Hellas auf Seraikella und Jeron, die genäht worden waren wie auseinandergegangenes Kinderspielzeug. Er suchte sich seine restlichen Sachen zusammen und verließ dann, den Bogen im Anschlag, das Quartier. Mehrere Riesen begegneten ihm, einem schoß er noch in die Schulter,

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