Das vergessene Zepter
abbinden, daà das Bein abstirbt und man es hinterher abnehmen muÃ.«
Rodraeg sah ihn fassungslos an. »Du hast ⦠auf diese Ader gezielt?«
»Nein. Das geht gar nicht. Jeder Mensch ist anders beschaffen, die Muskeln und Adern verlaufen unterschiedlich. Aber ich habe es in Kauf genommen, Rodraeg. Die Chance, diese Ader zu treffen, lag bei über zehn Prozent. Soviel zu deinen vielbeschworenen Warnschüssen. Selbst wenn du jemandem in die Schulter schieÃt oder in den FuÃ, kann die Wunde sich entzünden und derjenige krepiert daran. Ihr seid immer so ⦠reinlich. Du mit deinem länglichen Abstandsschwert, das du nur führst, um Todgeweihte zu erlösen. Naenn ganz ohne Waffen, Eljazokad desgleichen â weil sie immer jemanden finden, der für sie in die Bresche springt. Manchmal frage ich mich, ob euch überhaupt klar ist, was Bestar und ich eigentlich tun, wenn wir für das Mammut kämpfen. Ob euch klar ist, daà das Mammut mordet für ein Ziel, das andere nicht nachvollziehen können.«
Rodraeg hustete. Seine Hände schlossen sich um Farne und öffneten sich wieder. »Die Bezeichnung Mord kann ich nicht gelten lassen. Wir haben gegen Söldner gekämpft, gegen Wachtposten â oder gegen diese Jäger, die hinter Dasco und den Walen her waren. Wir führen keine Mordaufträge durch, aber leider stellen sich uns immer wieder Bewaffnete in den Weg. Mir wäre es viel, viel lieber, wenn dem nicht so wäre.«
»Ja, aber letzten Endes sind wir genau so eine Söldnergruppe wie die Kruhnskrieger. Wir werden dafür bezahlt, im Auftrag einiger hauptstädtischer Dunkelmänner mehr oder weniger gewalttätige Aufträge auszuführen. All das Geschwafel mit den Göttern, den Walen und den Riesen dient doch nur zur Rechtfertigung. Dazu, sich überlegen fühlen zu können.«
»Siehst du das wirklich so?« Rodraegs Stimme wurde fester, so sicher war er sich seiner Sache. »Migal Tyg Parn zum Beispiel hatte das deutliche Gefühl, daà ihm beim Mammut zu wenig Gewalt geboten wird â deshalb hat er sich Erdbeben angeschlossen. Die tatsächlich mit Würgeschlingen gemordet haben! Auch die Riesen sehen offensichtlich einen Unterschied zwischen uns und irgendwelchen dahergelaufenen Unruhestiftern â sonst hätten sie genausogut die fünf Kerle vom Roten Keiler anheuern können.«
»Das haben wir aber nur diesem Gerimmir zu verdanken- und diesem alten Ränkeschmied im Kinderkörper, dem man nun wirklich nicht zwei Schritte weit über den Weg trauen kann. Wie du am eigenen Leib zu spüren bekommen hast.«
Rodraeg hustete wieder. Immer, wenn jemand es ansprach, kam auch der Hustenreiz. »Wenn du uns so abscheulich findest â warum bist du dann bei uns?«
»Ich finde uns nicht abscheulich. Ich finde uns nur einfach nicht gerechter und besser als andere. Als die Königin zum Beispiel, über die ihr dauernd herzieht. Oder die Kruhnskrieger. Oder den Stadtkapitän von Wandry. Mich nervt diese romantische Schönheit, die du und Naenn in euren von langen Wimpern verschatteten Blicken tragt, während Bestar und ich durch die Eingeweide unserer Gegner waten. Jetzt ist sie schwanger â huch, wie zart und wunderbar das Leben ist! Seht und fühlt meinen Bauch, rund wie der Mond! Es nervt mich einfach, weil es so verlogen ist. Warum ich bei euch bin, kann ich dir genau erklären. Anfangs nur deshalb, weil ihr mir Schutz geboten habt. Schutz und Obdach in einer Zeit, als niemand mehr für mich einen Finger krumm gemacht hätte. Jetzt aber habe ich einen anderen Grund: weil ich von dir noch lernen kann.«
Verblüfft zog Rodraeg die Brauen hoch. »Von mir?«
»Ja, von dir. Erinnerst du dich noch daran, wie ich in Wandry immer gesagt habe, wir sind hier falsch, wir müssen nach Skerb, wir können hier nichts ausrichten? Wie will man Wale aufhalten und eine Stadt retten ohne Magie und ohne Unterstützung? Aber wir haben beides geschafft. Weil du nicht aufgehört hast zu glauben. Wir haben die Gezeitenfrau gefunden, die hat uns zu dem Gefangenen geführt, der wiederum konnte die Wale freisetzen, und alle wurden gerettet. Mit all meinem logischen Sachverstand als ehemaliger Militärausbilder fasse ich ehrlich gesagt heute noch nicht, was in Wandry alles geschehen ist. Aber eines ist mir klar geworden: Ich muÃ, ähnlich wie Eljazokad mit seinem Traum,
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