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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Häfen zum siebten, der Regenwald im Westen zum achten, der Regenwald im Osten zum neunten und die Sonnenfelder zum zehnten – in diese zehn Glieder brach der EINE auseinander. Krieg keimte auf und trug schreckliche Blüten. Ein Keuchen lief durchs Land, ein Sengen und Wüten. Und die, die da glaubten an ZEHN, glaubten sich in Sicherheit, glaubten sich im Einklang mit den Himmeln und den Erden; doch wie deutlich zu sehen war für jeden mit Sinnen, hauste der IRRGLAUBE in ihnen gleich einer Feldmaus in dieser Krume. Rinwe erschien und blendete alle mit seiner strahlenden Rüstung. Oh, Irinweh, Irinweh, wie es in Liedern heißt: Wie du die Sonne nahmst und auf die Menschen lenktest! Er behauptete Einigung, doch er log, denn er vereinigte nur Ländereien, nicht jedoch die Seelen, und schon gar nicht einen Gott. Die Splitter lagen weiter nebeneinander und schnitten sich mit ihren scharfen Kanten. Doch die Hauptstadt des Glaubens wird fallen, sagen die vergessenen Schriften, und eine Zeit der Einkehr, Buße und Zerfleischung wird folgen. So sagt euch denn los vom Irrglauben, ihr Verleiteten, und folgt der Bewegung im Banner des EINEN!«
    Der Prediger entrollte ein Banner, das dem des Kreises gar nicht unähnlich war, nur daß der Kreis vollständig geschlossen war und leuchtete wie ein Ball, der Energie enthielt. Mit glosenden Blicken ließ Lessett die Wirkung des im Wind flatternden Bildes sich entfalten. Dann sprach er weiter mit donnernder Stimme: »Wir befinden uns nicht in einem Jahr der Vereinigung! Wir werden getäuscht seit fast siebenhundert Jahren von einem Thron, der uns unter eine Königskrone zwingt, die keinerlei Verankerung besitzt. Niemals prophezeit worden zu sein, niemals geschrieben, gesagt oder beglaubigt – derart ist die Herrschaft von Rinwes Königslinie. Doch die Hauptstadt des Glaubens wird fallen – und allen, die rechtzeitig den rechten Weg beschreiten, gereicht dieses Wissen zum Trost. Also verzaget nicht, ihr Einfachen, denn das Einfache ist eins, und das Zwieträchtige ist ein anderes, und vier ist die Zahl der Elemente, zehn die des Zerfalls und zwölf die der Hoffnung. Zwölf Welten, zwölf Worte, zwölf Jahre bis zum Sieg. Folgt mir nach Furbus und Chlayst und laßt die Bewegung gewinnen!«
    Â»Gringarioth! Gringarioth!« schrien die Menschen und überboten sich gegenseitig mit Lärm.
    Rodraeg hatte das Gefühl, daß dieser Prediger über Wissen verfügte, das für das Mammut von Nutzen sein könnte. Wissen über Zahlen, die immer wieder auftauchten. Prophezeiungen, von denen er noch nie gehört hatte. Wissen über Gliederungen und Ordnungen, das aus einer improvisierten Rede herauszulösen und in einen schriftlichen Zusammenhang zu bringen von Vorteil hätte sein können. Aber es war nicht möglich, an Lessett heranzukommen. Die Menge zerstreute sich nicht, sondern umringte den Redner, bestürmte und begleitete ihn, und es war ein Johlen, ein Schubsen und Drängeln um Janther Gringarioth Lessett, so daß jegliche Annäherung unterbunden wurde. Auch war es der fortgeschrittenen Stunde zum Trotz zu heiß, um jemandem im Wettbewerb mit anderen hinterherzurennen. Die drei kehrten zur Kutsche zurück.
    Â»Wird nicht lange dauern, und er wird verhaftet und in einen Kerker gesteckt«, murrte Bestar. »Man darf nicht so offen gegen die Königin reden, oder doch?«
    Â»Theoretisch darf man das schon«, schätzte Rodraeg, »aber wenn man dann noch Menschen nach Furbus und Chlayst lockt, wo ohnehin gerade Chaos herrscht, legt man sich tatsächlich mit der Garde an.«
    Â»Folgen ihm denn überhaupt welche?« fragte Naenn, die von der Rede wenig beeindruckt schien. »Sie schreien, weil sie ein Spektakel lieben – aber gehen sie wirklich mit?«
    Â»Ja«, sagte Bestar, der am größten war und aufgrund dessen den besten Überblick über die Menschenmenge hatte, »so etwa zwei Dutzend umringen ihn voller Begeisterung. Einige brachte er wohl schon mit, aber einige scheinen von hier zu sein. Ein bißchen erinnert mich das an die Geblendeten, deren Konzert ich in Wandry gesehen habe. Irgendwie lustig.«
    Â»Was meinte er bloß mit: ›Die Hauptstadt des Glaubens wird fallen‹?« fragte Naenn niemanden Spezielles. »Was ist die Hauptstadt des Glaubens? Aldava?«
    Â»Ja, seltsam«, sagte Rodraeg nachdenklich. »Wenn Aldava gemeint

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