Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
hinabgetaucht durch Holz und Mörtel in geschlossene Räume, hatten in kurzen Geschichten verharrt und waren dann um sämtliche Achsen in eine neue Landschaft katapultiert worden.
    Â»Naenn, Naenn, Naenn!« schimpfte auch Bestar, dem speiübel war. »Wenn du sie so sehr liebst, daß jeder Raum mit ihrem Gesicht endet, solltest du endlich um ihre Hand anhalten, Rodraeg.«
    Â»Das ist doch alles …« – Rodraeg wurde von einem würgenden Hustenanfall durchgeschüttelt – »… nicht echt. Die Höhle … nimmt Fetzen aus unseren Köpfen und setzt sie neu zusammen. Als ich ein Kind war, war Naenn noch gar nicht geboren. Sie kann nicht als Händlerin an uns Milch verkauft haben. Außerdem … waren Baladesar und ich nicht mit Kiara zusammen in der Kinderschule. Das kam erst später, als wir schon vierzehn waren.«
    Â»Bei mir ist auch nicht der Urwaldmann aus Wandry aufgetaucht«, bestätigte Bestar. »Das ist alles Quatsch. Die Hütte stimmt, aber ich habe niemals einen Milchkrug umgeschmissen. Niemals!«
    Â»Und bei uns zu Hause«, meldete sich Hellas zu Wort, »ist nie ein Reicher vorbeigekommen, um uns zu beschenken. Und Rodraeg schon gar nicht.«
    Â»Was soll das alles?« fragte Bestar. »Warum denkt sich die Höhle so was aus?«
    Â»Bei mir stimmte alles ganz genau«, sagte Eljazokad. Alle wandten sich ihm zu. »Wir wohnten nicht in Fairai, aber einmal im Mond gingen wir dorthin zum Einkaufen. Eines Tages war da dieser Fremde mit der Kapuze, der mich streichelte. Er erkundigte sich nach dem Verbleib meines Vaters. Und er küßte meine Mutter, was mich sehr verwirrte. Bei den Göttern – es war tatsächlich Dasco! Er hatte ein anderes Gesicht damals, aber ich hatte gleich, als wir ihm in Warchaim begegneten, das Gefühl, ihn von irgendwoher zu kennen. Und nicht nur von dem Steckbrief her. Es war seine … Aura. Unglaublich! Möglicherweise … bin ich eines von seinen Kindern!«
    Â»Dasco ist Zarvuer?« fragte Rodraeg ungläubig.
    Â»Nicht doch! Erinnert ihr euch nicht mehr an das, was Dasco erzählt hat? Daß er überall Kinder hat? Daß er mit den Müttern der Kinder die Nacht der Leidenschaft teilte? Möglicherweise sprach er von magisch begabten Kindern! Alle magisch begabten Kinder sind sozusagen Dascos Kinder. Wenn sich das Kind von Adena und Terenz Harpa, um das sich Dasco so sehr bemühte, in den kommenden Jahren als magisch begabt herausstellt, dann stimmt meine Theorie.«
    Â»Aber wie kann die Höhle des Alten Königs solche Dinge wissen?« Rodraeg war skeptisch. »Sie nimmt Teile unserer Erinnerungen und setzt sie neu zusammen. Wie aber können unsere Erinnerungen klüger und wahrer sein als wir?«
    Â»Weil wir die Zusammenhänge oft vergessen oder verdrängen oder einfach nicht sehen. Oder nicht wahrhaben wollen!« Eljazokad redete mit beiden Händen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Die Höhle belehrt uns über uns selbst. Wenn wir aufmerksam zuhören und zuschauen, können wir hier Wahrheiten erfahren, die von großer Tragweite sind. Wir Menschen… sind wie Herbstblätter, hilflos vorwärts trudelnd durch die tausendfachen Eindrücke des Lebens. Wir sind nicht in unserer eigenen Vergangenheit verwurzelt. Jeder Eindruck kann jederzeit abreißen, davontreiben und verlorengehen. Die Höhle jedoch ist massiv, felsig, untergründig. Sie will uns festigen, uns an uns selber binden, damit wir … wachsen können zu Riesen.«
    Â»Bist du übergeschnappt?« fragte Bestar ganz sachlich.
    Â»Ich hoffe nicht«, antwortete Eljazokad ebenso ehrlich.
    Â»Was auch immer: Ich finde es scheiße hier!« ließ Hellas sich nicht ablenken. »Diese verdammte Höhle soll aus meinem Kopf rausgehen und mich nicht zum Kotzen bringen. Und sie soll Nauske in Ruhe lassen. Hörst du, Alter König? Laß sie in Ruhe!« Hellas’ wütender Ruf hatte kein Echo und keinen Hall. Der Raum, in dem sie sich befanden, war klein, spröde und finster.
    Â»Deine Schwester?« wagte Bestar als einziger zu fragen.
    Â»Ja, meine Schwester«, schnauzte Hellas ihn an. »Ihr habt sie alle gesehen. Sie hat sich abgerackert, um uns ein Dasein zu ermöglichen, und jetzt ist sie tot, na und? Alle guten Menschen sind tot! Nur meine Mutter lebt immer noch und hurt herum. Daran will ich nicht erinnert werden.

Weitere Kostenlose Bücher