Das verhängnisvolle Experiment
es bereits zu spät. Du hast den Boden unter den Füßen verloren, und längst läufst du Gefahr, selbst deinen zweiten Platz zu verlieren. Im Beruf und bei deinem Mädchen.
So ist es nur folgerichtig, daß du dich entschließt, der Misere mit einem gewaltigen Spektakel ein Ende zu setzen. Einmal, ein einziges Mal wirst du in aller Munde sein, wenn du auch nach Lage der Dinge keine Gelegenheit finden wirst, deine plötzliche Popularität zu genießen.
Aber selbst zu dieser letzten großen Schau kommt es nicht. Du hast nicht den Mut dazu. Du bist zu schwach, zu unentschlossen, du wagst weder eine Flugzeugentführung noch den Sprung vom Spencer Center. So setzt du dich schließlich in deinen Wagen und überquerst fünfmal die Brücke über den Brazos, nur weil dort vor Jahren ein von Houston Central Port startender Jet ein paar Autos in den Fluß gefegt hat.
Aber selbstverständlich geschieht nichts, nicht das geringste. Nicht einmal Pech hast du. Du schleichst in der Autoschlange dahin und verrenkst dir den Hals nach den Jets, die hoch oben am blauen Himmel über dich hinwegziehen. Nicht daran zu denken, daß einer von ihnen mit seinem Fahrwerk bis zu dir herunterreichen könnte.
Also biegst du jenseits der Brücke auf die Straße nach San Antonio ab, nimmst die Unterquerung nach Houston und löst die Gurte. Danach visierst du den Brückenpfeiler an und gibst Vollgas. Und schließ um Himmels willen die Augen! Schließ sie ganz fest, sonst wird sich dir jeder Stein, jede Fuge, jedes kleinste Sandkorn unauslöschlich ins Gedächtnis brennen.
Heute erst wußte er, daß das alles so und nicht anders richtig gewesen war. Er hätte nichts Besseres tun können. Zum erstenmal hatte er Glück gehabt. Einer der blauen Engel der Straßen war hinter ihm gewesen. Und das übrige hatte dann Haston mit seinem Team erledigt.
Nur einmal noch hatte er wieder die alte Angst verspürt. Das war damals, als Yahiro gekommen war. Von drüben. Absturz über dem Testgelände von Orechowka, menschliches Versagen, die von Yahiro gesteuerte und von Mankov navigierte Fähre war in der Eintauchphase übersteuert worden und abgeschmiert. Aus.
Yahiro stand ihm in keiner Weise nach. Offensichtlich hatten auch die dort drüben Leute, die ihr Handwerk verstanden. Allein Yahiros Anwesenheit bedrückte ihn, weil er glaubte fürchten zu müssen, abermals an die zweite oder dritte Stelle geschoben zu werden. Aber Yahiro war zurückgeholt worden, als er eben die Grundeinheiten des Abschlußtrainings hinter sich gebracht hatte. Damit war ihm der Anspruch auf Platz eins selbstverständlich verlorengegangen. Und jetzt war wohl keine Gefahr mehr, daß er sich vordrängen könnte.
Um ein paar Grad senkte Lannert die Nase der Fähre, das Ufer des Meeres glitt nach oben weg, der Bildschirm strahlte in hellem Blau, und durch die Isolation der Kabine drang das erste Rauschen der obersten Atmosphärenschicht. Die Temperatur der Außenhaut begann langsam zu steigen. Aus der glänzenden Fläche des Ozeans schälte sich nach und nach eine Insel, oval wie ein winziges Gesicht mit rosigem Teint, bräunlichen Augenflecken und einem Kranz weißen Haars. »Wir sinken zu schnell, Keeke!«
Das war Yahiros Stimme. Sie klang gepreßt, wie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgestoßen. Und dabei gab es doch nicht den geringsten Anlaß zur Besorgnis. Die Belastung lag selbst für die Menschen an Bord noch weit unter der Grenze des Zulässigen, vom Zumutbaren gar nicht zu reden. Er behielt die Fluglage bei, das Rauschen der Atmosphäre verstärkte sich, und die Fläche des Meeres wuchs schneller und immer schneller heran. Je tiefer die Fähre sank, um so weniger glich die Insel einem Gesicht.
»Weisung an Fähre! Achtung, Lannert! Neigung minus neun Grad. Bremsschub zwölf Prozent vom Maximum!«
Die Korrekturangaben von der Känguruh kamen deutlich herein, sie entstanden scheinbar direkt in Lannerts Hirn, überlagerten seihen eigenen Willen augenblicklich mit der Kraft ihrer Impulse, fast automatisch setzte er sie in Steuerbewegungen um. »Acht Grad nach steuerbord abfallen. Noch zwei. Noch ein. Kurs liegt an. Halten. Fluglage stabilisieren. Zielgebiet befindet sich etwa dreißig Kilometer querab der ovalen Insel landeinwärts. Ortung deutet auf festen Boden hin, der mit einer dünnen Schicht geröllähnlichen Materials bedeckt sein könnte. Bei Landung erhöhte Bremskräfte beachten.«
Lannert antwortete nicht, er korrigierte die Richtung der Rezeptoren, die
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