Das verhängnisvolle Experiment
die Radarrezeptoren besitzen und in stockfinsterer Nacht sehen können, als wäre es heller Tag.
Nun behauptet man drüben selbstverständlich, man denke nicht daran, solche Hastoniden als Soldaten einzusetzen, aber kann man uns verübeln, daß wir an einer solchen Erklärung zweifeln?«
»Nein, nein.«
»Na also! Nun haben sie uns als Beweis ihrer angeblichen Lauterkeit Zusammenarbeit angeboten. Gemeinsames Training in der letzten Phase, in der Enderpro…, hm, sagen wir in der Abschlußuntersuchung. Wahrscheinlich in der Hoffnung, wir wären zum festgelegten Zeitpunkt noch nicht in der Lage, ihnen einen Umfunktionierten hinüberzuschicken. Aber es ist doch eine deutliche Geste des guten Willens, dieses Anerbieten, nicht wahr? Und wenn wir uns aus technologischen oder zeitlichen Gründen außerstande sehen sollten, es anzunehmen, sie hätten immerhin ihren guten Willen bewiesen.
Nun, wir wären in der Lage, Vamos. Wenn du… Wir haben geglaubt, daß es sich in deinem speziellen Fall anbiete…«
»Nein, nein, nein!«
»Glaub mir, wir wissen, was das für dich bedeutet. Aber wir haben keine Wahl. Ebensowenig wie bei den Bomben und Lasersatelliten, bei den Kampfviren und den psychogenen Waffen. Es gibt keine Alternative. Oder könntest du uns einen anderen Weg nennen?«
»… nein.«
»Wirst du dich also zur Umfunktionierung bereit erklären, Pilot Vamos Yahiro?«
Das ist ein furchtbares Dilemma. Er sieht ein, daß sie ihm diesen Vorschlag unterbreiten mußten. Sie haben recht. Sie können nur so und nicht anders handeln. Von ihrem Standpunkt aus betrachtet. Er aber spürt immer deutlicher die brennende Frage: Weshalb ausgerechnet ich?
»Nein!« pfeift er, und die Linien auf dem Schirm fangen an, in sich zusammenzufallen.
Später, als die beiden gegangen sind, nicht ohne angedeutet zu haben, daß sie wiederkommen werden, setzt sich Professor Menura zu ihm an das Bett. Anfangs schweigt sie. Tupft ihm nur hin und wieder über die Stirn und schaut ihn an. »Du mußt das selbst am besten wissen, Vamos«, sagt sie schließlich. »Eine solche Entscheidung kann dir niemand abnehmen.«
Zwei Tage später kommt Karen zu ihrem ersten Besuch. Er hat diesen Tag gefürchtet, seit er wieder einigermaßen klar denken kann. Er hätte ihn gern noch hinausgezögert, aber er hat eingesehen, daß es sinnlos wäre, noch länger zu warten.
Seine Entscheidung ist ohnehin längst gefallen. Er wird sich von Karen trennen. Wahrscheinlich würde sie selbst sich nie dazu entschließen können, würde sich zu überzeugen versuchen mit Argumenten, in denen Verantwortung und Mitgefühl die Hauptrolle spielen dürften. Vielleicht würde ihr das für ein Jahr oder zwei relativ leichtfallen, aber spätestens dann würde sie sich fragen, ob so das erstrebenswerte Leben an der Seite eines Partners aussieht. Und auch sie wird sich irgendwann die Frage stellen: Weshalb ausgerechnet ich?
Sonja Menura führt sie herein. Es sieht aus, als brauche Karen jetzt nichts so sehr wie die Unterstützung dieser kräftigen Hände, die eine Schneidsonde mit maschinenhafter Exaktheit zu führen vermögen und die sich im nächsten Augenblick weich wie eine Flaumfeder auf die Stirn des Patienten legen können.
Dann steht Karen allein in der Tür, groß und schlank und ein wenig unbeholfen. Schließlich aber gibt sie sich einen Ruck, streicht das braune Haar mit einer flüchtigen Geste aus der Stirn und tritt zu ihm an das Bett. Er sieht, daß sie eine Frage auf den Lippen hat, aber er sieht auch, daß sie unsicher zögert. Welche Frage soll sie auch in solch einer Situation stellen? Wie geht es dir? Hast du alles gut überstanden? Wie fühlst du dich? Wann werden sie dich entlassen? Furchtbare Fragen! Fragen, in die man nur hineinschreien müßte – wenn man schreien könnte. Solche Fragen kann man Leuten stellen, die eine Krankheit hinter sich haben, oder auch solchen, die ein Bein verloren haben oder einen Arm, aber nicht jemandem, der nur noch aus einem lächerlichen Rest seiner selbst besteht. Angesichts des sauber * aufgetürmten Betthügels, der verbergen soll, was nicht mehr vorhanden ist, muß jede Frage banal und abgeschmackt klingen.
Endlich setzt sich Karen auf die Bettkante, ganz vorn auf den Rand, und sie vermeidet peinlich, den weißen Hügel zu berühren. Aber er sieht, wie ihre Hände zucken. Sie sind wie kleine Tiere, die Schutz suchen, Berührung, Wärme. Alles wäre anders, könnte er jetzt ihre Hände halten. Aber dazu müßte er
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