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Das verhängnisvolle Experiment

Das verhängnisvolle Experiment

Titel: Das verhängnisvolle Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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der wurde, festigte sich die Stadt weiter, wurde sicherer, weniger anfällig, wurde schließlich selbst zu einem Teil der Welt, zu einer natürlichen Formation, wie ein Fels, ein Gebirge mit Tälern und Bergen, mit Hängen und Graten und vor allem mit Bächen und Pflanzen und Bäumen, mit Leben in allen Formen.
    Stenelor lehnte sich ein wenig zurück und überflog die Bildschirme mit schnellem Blick. Nichts Ungewöhnliches deutete sich an, er durfte auf einen ruhigen Tag hoffen. Nur wenige Gruppen befanden sich heute außerhalb des Ringes, und anscheinend liefen alle Aktionen planmäßig. Überall auf den Schirmen leuchtete beruhigend der gelbe Kreis auf braunem Grund. Es gab keinen Anlaß zur Sorge. Und die Stadt wuchs um ihn her, stieg aus dem Boden weiter und immer weiter in den Himmel hinein, ihn und all die anderen Bewohner mit sich in die Höhe tragend.
    Er hörte das leise Knistern des Vorhangs in seinem Rücken und wandte sich um. Luela stand hinter ihm, groß und ein wenig zu breit in den Schultern, die der Stoff des Vorhanges noch in losen Falten umfloß. Luela lächelte, kaum sichtbar, das Lächeln war nicht mehr als ein Hauch, und doch wirkte es hintergründig und schelmisch zugleich. Er wußte sofort, weshalb Luela kam, und wie stets, wenn sie ihn bat, sich in ihre Karte einzutragen, schlug ihm das Herz höher. Er spürte etwas wie Stolz darüber, daß sie seit Monaten immer wieder ihn wählte. Nicht nur ihn, das war selbstverständlich, aber ihn eben auch. »Luela«, sagte er, und das Lächeln in ihren Augen vertiefte sich. »Ich danke dir, Luela.«
    Sie bemerkte nicht, daß sich ein Anflug von Stolz hinter dem Dank verbarg, sie spürte aber, daß Stenelor etwas bedrückte. Ihr Lächeln verkroch sich. »Stenelor!« sagte sie streng und richtete sich ein wenig auf. »Stenelor, wenn du dir Vorwürfe machen solltest, dann werde ich dich nie wieder zu mir bitten. Ich will nicht, daß du dich quälst. Und überhaupt, woher willst du wissen, daß es an dir liegt?«
    Er hätte ihr sagen können, daß er sich keine Vorwürfe machte, denn an ihm lag es ja mit Sicherheit nicht. Er hatte bereits mehr als ein Kind gezeugt. Aber er bedauerte Luela eben, und es verdroß ihn, daß sie noch immer nicht schwanger geworden war. Nichts brauchte die Stadt dringlicher als Kinder. Jetzt blickte sie zu Boden, seine Gedanken waren ihr kein Geheimnis geblieben.
    Da nahm er ihre Karte und suchte nach den drei grünen Tagen des Monats. Zwei waren bereits von einem braunen Ring umgeben, schwungvoll gezeichnet von einer leichten Hand. Er blickte auf, und er sah, daß Luela wieder lächelte. Er zog seinen blauen Ring, ebenfalls um zwei Tage, um den freien und den mittleren, so daß sich der braune und der blaue Ring ineinanderschlangen, und gab ihr schweigend die Karte zurück. Er sah das Strahlen in ihren Augen, und er glaubte etwas von dem zu spüren, was die Alten Liebe genannt hatten, er glaubte es, aber gleich darauf sagte er sich, daß er nicht wissen konnte, wie das Gefühl war, das einen an eine band.
    Sie ging, und nur wenig später kam Dasiet, schwer und breit in den Hüften. Er blickte auf, als sie ihre Karte lässig auf das Pult legte, aber er sah ihr keine Regung an. Ihre Augen hingen an der Karte und an seiner Hand, die noch immer den blauen Stift hielt.
    Dasiet war mehrfach dekoriert, wegen ihrer ungewöhnlichen Fruchtbarkeit, die die Bewunderung ihrer Geschlechtsgenossinnen erregte. Wahrscheinlich kannten die meisten sie nur schwanger, nur er kannte sie anders, auch wenn sie sich nur einmal im Jahr bei ihm sehen ließ, um ihn durch Vorlegen ihrer Karte schweigend zu sich einzuladen. Nur er wußte, wie glatt und flach ihr Leib in den kurzen Pausen zwischen den Schwangerschaften war.
    Ebenfalls schweigend malte er seinen Kreis um den mittleren der grünen Tage. Dasiet atmete auf und nickte ihm zu. Sie war schon auf dem Wege zum Vorhang, da blieb sie stehen und blickte zurück. »Übrigens«, sagte sie schleppend mit einer Stimme, an die er sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, »es gibt Probleme im Dorf vier der Monogenen. Jemand hat nach dem dritten Schock verlangt.«
    Stenelor hob die Schultern. Fast hätte er mit einem »Na und?« reagiert, aber er beherrschte sich noch rechtzeitig. Die Unantastbarkeit des Ritus der Monogenen mußte erhalten werden, das sah er ein, und auch, daß man notfalls Mittel der Disziplinierung anwenden mußte. Denn ließ man Abweichungen in einem Bereich zu, bestand die Gefahr,

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