Das verhängnisvolle Experiment
selbst Hände haben. Oder doch zumindest eine.
Karen schweigt lange. Und als sie schließlich doch zu reden beginnt, da spricht sie leise und stockend. Fast ohne Zusammenhang schildert sie das, was sie sich unter ihrer beider Zukunft vorstellt. Aber er merkt sofort, daß diese Zukunft für sie wie hinter einem undurchdringlichen Nebel liegt. Für sie gipfelt das alles in der Vorstellung, den geliebten Partner ein Leben lang zu pflegen, hingebungsvoll und uneigennützig. Eine Vorstellung, die ihr heute vielleicht noch eine Art Glücksempfinden vermitteln mag. Nur würde eben die Realität ganz anders aussehen.
Als sie einen Moment lang schweigt, stößt er zwei Laute aus, die kaum noch Ähnlichkeit mit Pfiffen haben, so dumpf und kehlig klingen sie. »Nein, nein!«
Karen fährt zusammen, und ihre Augen füllen sich plötzlich mit Tränen. Er weiß, daß sie jetzt das Gefühl hat, in eiskaltes Wasser geworfen worden zu sein, aber er weiß auch, daß man kaltem Wasser die Eigenschaft zuschreibt, Benommenheit und Betäubung zu vertreiben, daß behauptet wird, kaltes Wasser könne heilsam sein.
Karens Hände tasten ziellos über die Bettkante. Sie sieht seinen warnenden Blick nicht, und ihre Augen weiten sich vor Entsetzen, als sie den weichen Hügel seiner Bettdecke berührt, als ihre Hände plötzlich fühlen, daß dort nur Leere ist, nichts als Leere.
Selbstverständlich geht sie nicht sofort. Sie hält die zwei Stunden durch. Aber ihr Gesicht ist wie eine Maske, auf die jemand ein versteinertes Lächeln gemalt hat.
Wie angekündigt, suchen ihn die beiden Männer erneut auf. Er hat nie daran gezweifelt, daß sie ihr Versprechen wahr machen würden. Sie gehören nicht zu denjenigen, die nach dem ersten gescheiterten Versuch aufgeben. Sie kommen nicht am nächsten Tag und auch nicht am übernächsten. Sie lassen eine Woche ins Land gehen. Damit er Zeit zum Nachdenken hat. Über sich und vor allem über die Welt. Und darüber, daß jeder einzelne einen Teil der Verantwortung für das Ganze zu tragen hat, einen winzigen Teil Verantwortung für die große und doch so zerbrechliche Welt.
Das Fernsehgerät steht längst wieder in seinem Zimmer. Diesmal hat man es vor ihrem Besuch nicht entfernt. Und Sonja Menura legt Vamos lediglich die Hand auf die Stirn und sagt: »Besuch für dich.« Kein Wort über das Gewicht dieses Besuches und kein Hinweis. Und als sie ihn mit den beiden Männern allein läßt, da geht sie aus dem Zimmer, ohne sich noch einmal umzublicken, mit fast hastigen Schritten.
Die beiden sagen etwas, »Hallo!« oder »Guten Tag«, er hört nicht genau hin, er lauscht in sich hinein, weil er weiß, daß dort etwas entstanden ist, das nicht zu ihm zu gehören scheint. Und als er die Männer lächeln sieht, nicht deutlich, das Lächeln ist eher ein kaum sichtbares Aufleuchten der Augen, so, als ob sie einen guten Bekannten wiedergetroffen hätten, da bemüht auch er sich um ein kleines Lächeln.
Sie haben eine Kassette mitgebracht, einen Film, der über den Fernsehmonitor abläuft wie ein stummer Spielfilm, Bilder über den Testeinsatz eines Hastoniden. Zum erstenmal seit langem spürt Yahiro etwas wie Faszination. Das ist kein bloßes Interesse für etwas Neues, das dort reißt ihn mit, das geht ihn an, und deshalb wühlt es ihn auf.
Da stapft ein drei Meter hohes, dunkles Wesen mit fast menschlichem Gesicht und saurierhaften Gliedmaßen über eine ebene, sandige Fläche. Die mächtigen Füße werfen Staubwolken auf, und der meterlange Stützschwanz zieht eine tiefe Rinne in den Sand. Die Bewegungen des Wesens sind gleitend und voller verhaltener Kraft. Und die Lautlosigkeit, mit der es sich bewegt, ist bedrückend.
»Nevada«, sagt der Blonde. »Die Gegend um Ely Point.« Sein anschließendes Schweigen ist beredter, als es eine lange Erklärung sein könnte. Das Gebiet um Santa Barbara ist eine der verbotenen Zonen, die Strahlungsbelastung ist dort so hoch, daß Menschen schon nach einem Aufenthalt von nur wenigen Minuten unheilbar geschädigt wären. »Neutronentestgelände«, präzisiert der andere.
Zehn Minuten lang beobachtet Yahiro den Hastoniden, sieht, wie das menschenunähnliche Wesen Klüfte und Spalten überwindet, sich aus mit aktiviertem Treibsand gefüllten Senken arbeitet, mit großkalibrigen Lasern Felsbrocken zum Glühen bringt, die es anschließend mit bloßen Händen zu neuen Formen knetet, wie es Messungen vornimmt und Zielübungen mit dem körpereigenen Radar absolviert. In
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