Das verhängnisvolle Experiment
Unangenehmes zur Kenntnis nehmen zu müssen.
Die Fähre stieg, unbemannt und nicht an menschliche Belastungsgrenzen gebunden, dem Schiff entgegen. Mankov löste den Kontakt und schaltete auf automatische Steuerung. Der Adapterhelm glitt sacht aufwärts.
Die nächste Aufgabe empfand Mankov als kaum weniger aufreibend und undankbar. Er hatte die Pflicht, die ihnen folgende Känguruh 3 auf dem laufenden zu halten, ein fast unlösbares Problem, wenn man in Rechnung stellte, daß sie so gut wie nichts über den Planeten wußten.
So konzentrierte er sich auf die Mitteilung, daß man die Känguruh 1 entdeckt habe, und fügte die Aufforderung hinzu, sehr genau auf eventuelle Verhaltensstörungen der Hastoniden zu achten. Er empfand es als besonders bedauerlich, daß die Verbindung zur Känguruh 3 nur einseitig war. Die Befürchtung, auf der Erde könnte in den zwölf Jahren, die zwischen dem Start der Känguruh 2 und dem der Känguruh 3 vergangen waren, Entsetzliches geschehen sein, ließ sich nicht zur Seite schieben. Gefühlen konnte man nicht befehlen, und daß die von der Känguruh 3 die Erde zwölf Jahre später verlassen hatten, vorausgesetzt, sie waren überhaupt gestartet, machte sie in seinen Augen zu überreichen Informationsträgern.
Die Überwachung der letzten Flugphase der Fähre übernahm Lora Korm. Ihm fiel auf, daß sie sich um Unbefangenheit bemühte. Sie lag in ihrem Sessel, als schliefe sie. Lang ausgestreckt, die Beine übereinandergeschlagen und die Hände über dem Leib verschränkt. Er verfolgte, wie sich der Helm über ihr Gesicht senkte, und sah, daß sie die Augen geschlossen hatte. Ihre langen, gebogenen Wimpern lagen auf den Wangen, Wimpern, so regelmäßig wie die einer Puppe, auf Wangen, die blaß wirkten unter dem braunen Teint. Er sah auch das Zucken um Loras Mund, als sie sich in das Kommunikationssystem der Fähre schaltete.
Vanda Ricanek und Maara Doy musterten ihn schweigend. Er forschte in ihren Gesichtern nach einer Regung, nach einem Vorwurf oder einem Ausdruck der Trauer, aber sie sahen ihn nur ernst und nachdenklich an. Vanda wieder mit dem ein wenig geringschätzigen Zug, den er oft in ihren Mienen wahrnehmen zu können glaubte.
Durch das Schiff klang ein auf- und abschwellender Summton, der Servator meldete akustisch, daß er mit der Übernahme der Fähre begonnen hatte. Als die Halteklammern der Stauanlage einrasteten, ging eine Erschütterung durch den Schiffskörper. Es war, als erschauerte die Känguruh 2 unter plötzlich hereinbrechendem Frost. Durch die Zentrale hallte ein Klang, als hätte jemand im Hangar eine riesige Glocke angeschlagen.
Lora Korm tauchte unter dem Helm hervor. Ihr Gesicht war noch immer blaß, aber auch in ihren Mienen zeigte sich keine Regung. Da war jemand umgekommen, jemand, den er immer als Mensch betrachtet hatte, und sie taten, als gehe sie das nichts an. Saßen da und schwiegen. Und dabei hatte er jetzt nichts so nötig wie ein Wort von ihnen, eins, das ihm hätte sagen können, so. und nicht anders mußtest du handeln, Peter. Oder eine einzige Geste, die ihm bestätigt hätte, daß er nichts anderes hätte tun können als das, was er getan hatte. Sie aber schwiegen. Sahen ihn an mit Gesichtern, in denen keine Zustimmung war, und blieben stumm wie Fische und anscheinend unbeeindruckt wie Außenstehende.
»So sagt doch endlich etwas«, forderte er. »Macht den Mund auf, zum Teufel.«
Ihr Schweigen war wie eine Wand, die sie von ihm abschloß, die ihn ausschloß.
Schließlich hob Maara die Schultern. Mit einer Bewegung, die ebenso alles wie nichts ausdrücken konnte. »Was wäre zu sagen, Peter?« fragte sie leise. »Daß wir auf deiner Seite sind? Wozu? Du weißt es.« In ihrer Stimme war ein Flattern, und er begriff, daß sie nicht weniger betroffen war als er selber. Die unerwartete Resonanz tat ihm gut.
Lange lauschte er ihren Worten nach, die ihm bald doppelsinnig und dann wieder ohne versteckte Anspielung erscheinen wollten. Und irgendwann bemerkte er, daß er Maara noch immer anschaute. Er wußte nicht, wie lange schon. Unzufrieden mit sich selbst wandte er sich wieder seinen Instrumenten zu.
»Bevor wir erneut Kontakt zur Landegruppe aufnehmen, sollten wir Schlußfolgerungen aus dem Geschehen ziehen«, sagte Vanda Ricanek unvermittelt. Sie reihte die Worte aneinander, als hätte sie lange über sie nachgedacht und sich den Satz sehr genau zurechtgelegt. Bei den letzten Worten hob sie zudem bedeutungsvoll die Stimme, als
Weitere Kostenlose Bücher