Das verhaengnisvolle Rendezvous
würde es nicht mal was ausmachen, wenn du darin verbrennst. Das war es doch, was du mir irgendwann mal erzählt hast. Feuer ist für dich wie ein Kuss.«
Ry ließ sich die Daten ausdrucken. Während der Drucker ratterte, rieb er sich todmüde mit dem Handballen die Augen. Vorhin hatte er sich zwei Stunden auf das Sofa nebenan hingehauen, um wenigstens eine Mütze voll Schlaf zu bekommen, nachdem er schon die letzte Nacht im Wachzustand verbracht hatte. Ein unbezwingbares Gefühl tiefer Erschöpfung bemächtigte sich seiner.
Doch er hatte eine erste Spur, dessen war er sich sicher.
Mehr aus Gewohnheit als aus einem Verlangen heraus zündete er sich eine Zigarette an und griff zum Telefon. »Piasecki. Ich schau auf dem Heimweg noch bei dem Fletcher-Objekt vorbei. Sie können mich anschließend unter der Nummer …« Er brach ab und schaute auf seine Armbanduhr. Mitternacht. Auf den Punkt genau. Vielleicht sollte er dies als Zeichen nehmen. Nachdem er dem Dienst tuenden Beamten Natalies Privatnummer durchgegeben hatte, legte er auf.
Dann schaltete er den Computer aus, griff sich den Ausdruck und sein Sakko, löschte das Licht und verließ sein Büro.
Natalie schlüpfte in ihren Lieblingsmorgenmantel und überlegte, ob sie erst noch ein heißes Bad nehmen oder lieber gleich ins Bett kriechen sollte. Sie entschied, ihre angespannten Nerven mit einem Glas Wein zu beruhigen, bevor sie dem einen oder dem anderen den Vorzug geben würden. Sie hatte heute Abend dreimal versucht, Ry zu erreichen, doch jedes Mal bekam sie die Antwort, dass er im Moment nicht verfügbar sei und sie es später noch einmal versuchen sollte.
Sie schien er anscheinend immer für verfügbar zu halten. Zumindest kam und ging er, wie und wann es ihm beliebte. Kein Wort den ganzen Tag über. Nun, morgen würde er sein blaues Wunder erleben, denn sie hatte sich vorgenommen, ihn als Erstes gleich in der Frühe in seinem Büro aufzusuchen und einen Bericht von ihm zu verlangen.
Als hätte sie nicht so schon genug zu tun. Abteilungsbesprechungen, Meetings mit der Produktion und, und, und. Die ersten Frühjahrsbestellungen waren bereits eingegangen, und alles sah recht vielversprechend aus.
Sie würde es nicht zulassen, dass sich ihr irgendetwas in den Weg stellte, weder ein Feuer noch ein Feuer-Inspector. Und wenn es irgendjemand von ihren Angestellten gewesen sein sollte – in welcher Position auch immer –, der für den Brand verantwortlich zu machen war, würde sie es herausfinden.
Innerhalb des nächsten Jahres würde sie Lady’s Choice über die Anfangshürden gebracht haben. Und während der nächsten fünf würde sie die Anzahl ihrer Niederlassungen verdoppeln. Das hatte sie sich vorgenommen, und das würde sie durchziehen.
Fletcher Industries würden einen guten Erfolg zu verzeichnen haben. Einen, den sie sich ganz allein auf die Fahnen schreiben konnte. Ja, sie konnte stolz auf sich sein. Und zufrieden.
Doch warum fühlte sie sich mit einem Mal so verdammt einsam?
Seine Schuld, entschied sie und nippte an ihrem Wein. Es war ganz allein seine Schuld, dass sie sich plötzlich so ruhelos fühlte. Er hatte ihr Leben ausgerechnet im ungeeignetsten Moment durcheinandergebracht, in einem Moment, in dem für sie einzig Konzentration, Ausdauer und Zähigkeit den Schlüssel zum Erfolg bedeuteten.
Physische Anziehungskraft, auch wenn sie noch so stark war, war nicht genug, sollte nicht genug sein, um sie von ihren Zielen abzulenken. Durfte nicht genug sein! Sie hatte sich schon des Öfteren von einem Mann angezogen gefühlt, hatte diese und jene Affäre gehabt und schnell gelernt, dieses Spiel ohne allzu großes gefühlsmäßiges Risiko zu spielen. Sie war schließlich bereits zweiunddreißig. Geschickt hatte sie immer darauf geachtet, ohne größere Verwicklungen wieder zu entkommen. Kein Mann hatte es jemals geschafft, ihr so nahezukommen, dass für sie eine Gefahr bestand.
Warum machte sie das plötzlich so traurig?
Verärgert schob sie ihre Gedanken beiseite.
Sie verschwendete bloß ihre Zeit, wenn sie weiterhin untätig hier rumsaß und über Ryan Piasecki brütete. Und im Übrigen war er sowieso ganz und gar nicht ihr Typ. Er war ungehobelt und roh und unbestreitbar aggressiv. Sie bevorzugte einen weicheren Typ von Mann. Und vor allem den, den man besser handhaben konnte. Natalie lehnte es ab, sich die Zügel aus der Hand nehmen zu lassen.
Warum erschien ihr das plötzlich so oberflächlich?
Sie setzte ihr halb volles Weinglas ab
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