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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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kroch zu ihr. Er nahm die andere Hand zwischen die seinen und jammerte vor Freude. Das Felsenvolk jubelte und dankte Kragg, als die Frauen eine Decke um ihre Beine legten.
    »Das Opfer…« Tir sah Bran an. Bran küsste sie auf die Stirn. Sein Kinn zitterte, und er weinte wie ein Kind.
    »Das Opfer für dein Leben.« Sie drehte den Kopf zur Seite und sah auf die Pfeilspitze, die direkt unter ihrem rechten Schlüsselbein herausragte. »Das Opfer war ich. Ich sollte sterben. Warum…«
    Loke wischte ihr mit dem Bart die Mundwinkel ab. »Manchmal lässt selbst der strengste Gott Gnade walten. Der, der Hörner trägt, braucht dich noch. Du musst deinen Sohn großziehen und auf ihn aufpassen, wie nur eine Mutter es kann. Darum sind wir zu Brans Volk geschickt worden. Gamle, unser Häuptling, hat deinen Tod in seinen Träumen gesehen, und er hat uns gebeten, nach Westen zu wandern, da nur wir Waldgeister die Fähigkeit besitzen, den Gang des Schicksals zu ändern.«
    Bran verstand nur wenig von dem, was Loke sagte, aber er verstand, dass Tir Schmerzen hatte. Sie krümmte sich, als er versuchte ihren Oberkörper aufzurichten. Aber dort auf den Steinen konnte sie nicht liegen bleiben. Er musste sie auf trockenen Boden tragen.
    »Holt Decken und Felle.« Bran hob sie auf seinen Armen hoch. »Wir schlagen hier unser Lager auf.«
    Er ging vorsichtig über den Strand. Tir hustete, und jedes Mal, wenn er zwischen den Steinen falsch auftrat, zuckte sie zusammen und schrie vor Schmerz. Es kam nicht viel Blut aus der Wunde um den Pfeil, der Schaft bremste den Blutstrom. Sie würden ihn bald herausziehen müssen. Vor dem Moment graute ihm. Sie könnte Wundfieber bekommen. Aber sie würde überleben. Er hatte sie aus dem Tod zurückgeholt, und von nun an würde er immer bei ihr sein.

Die Stadt der Schmiede
     
    D as Felsenvolk schlug das Lager neben dem Grashügel auf. Sie holten die Ruder aus den Langschiffen und spannten dazwischen Felle auf. Die letzten Wassertonnen wurden auf den Strand hinuntergelassen, und die Frauen brachten jedes einzelne Bündel Trockenfisch mit nach draußen. Hagdar reichte Felle, Decken und leere Wasserschläuche über den Bug. Die Männer holten ihre Waffen, und Turvi trug Kaer auf, alle Pergamente aus dem Bugraum der Tigam einzusammeln. Das Felsenvolk begriff, dass die lange Seereise jetzt vorüber war, und spähte unablässig zu den Bergen, die hinter dem Grashügel aufragten. Sie hatten kein Gebirge mehr gesehen, seit sie die Felsenburg verlassen mussten, und die schneebedeckten Gipfel riefen nach ihnen. Aber ihnen allen war klar, dass sie noch warten mussten, denn Bran war der Einzige, der sie in das Tal führen konnte.
    Bran verschwendete nur wenige Gedanken an das Gebirge, während er neben Tir saß und ihre Hände hielt. Die Männer hatten ein Zelt um sie herum errichtet. Zwei Messer und Storm legten gerade das letzte Fell über die Ruder. Loke saß am Feuer und stocherte mit einem Messer in den glühenden Tangbündeln. Gwen und Linvi saßen an der Zeltöffnung. Der Widerschein des Feuers malte Schatten in ihre ernsten Gesichter.
    »Hat sie den Trank ausgetrunken?« Loki stach die Messerspitze in die Glut.
    Bran stützte Tirs Kopf. Sie lag auf der Seite und konnte kaum die Augen offen halten. Er hatte ihr Hemd aufgeschnitten, so dass ihr Oberkörper nackt war. Der Pfeil war durch sie hindurchgegangen. Er war unmittelbar unter dem Schulterblatt eingedrungen und ragte eine Handbreit unter dem rechten Schlüsselbein heraus. Die Haut um den Pfeilschaft war blutunterlaufen und geschwollen, aber Loke sagte, sie hätte Glück gehabt. Der Pfeil hätte keine Knochen beschädigt und säße zu hoch, als dass die Lunge etwas abbekommen haben könnte. Der Waldgeist hatte ihm auch geraten, ihr so viel wie möglich von dem Gebräu aus dem Krug einzuflößen. Das war das Einzige, womit sie den Schmerz ein wenig lindern konnten.
    Loke watschelte zu dem Tonkrug und schüttelte ihn. Als er feststellte, dass noch ein Rest übrig war, ging er zu ihr und goss ihn in ihren Mund. Tir hustete und erbrach sich. Bran wischte ihr den Mund ab.
    »Haltet sie fest.« Loke winkte die Frauen herein.
    Gwen und Linvi setzten sich neben Tir, und Loke zeigte ihnen, wie sie sich über sie lehnen und ihre Beine halten sollten, wenn sie anfing zu treten. Dann trat der Waldgeist hinter ihren Rücken und beugte sich über den Pfeil. Bran wagte nicht, etwas zu sagen, weil er den Waldgeist nicht stören wollte. Loke schüttelte den Kopf und

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