Das Verheissene Land
grelle Stimme zu hören, und achteten nicht weiter auf ihn, als er sich bis zu den Tonnen im Bug vorarbeitete, wo er sich ein paar Kornsäcke suchte, auf denen er sich niederlassen konnte. Er wickelte seinen Lederumhang fester um sich, weil der Wind ihn frösteln ließ.
Bran wollte gerade zu ihm gehen, als Eyna ihm zuvorkam und sich zu dem Alten hinunterbeugte. Die Windböen griffen in ihr langes, graues Haar. Der Alte hob den Arm und zeigte nach Westen übers Meer.
Bran lief erneut den Landgang hinunter. Sie war noch nicht gekommen. Die Zelte waren abgebaut, und Dielan hatte dafür gesorgt, dass niemand im Lager zurückblieb.
Er ließ den Blick über die Menschenmenge schweifen, und die Tirganer folgten seinem Blick. Sie wussten, nach wem er Ausschau hielt, aber die Tochter von Visikals Bruder war nicht unter ihnen. Sogar die Händler hatten ihre Buden in der breiten Gasse verlassen, um Brans Volk ablegen zu sehen. Der Tang flatterte wie steife Flaggen an den Trockengestellen. Der Hammer des Waffenschmieds schwieg. Bran schirmte die Sonne mit der Hand ab. Das Kopfsteinpflaster in der Turmgasse war noch immer feucht von dem nächtlichen Regen, und Cernunnos’ Turm warf seinen Schatten über die Hausdächer. Da sah er jemanden aus der Turmpforte schlüpfen. Er hätte wissen müssen, dass sie dort hinaufgehen würde, um vor Cernunnos’ Abbild um Glück für ihre Reise zu bitten.
Er winkte ihr zu. Die Tirganer, die sich vor dem Langschiff versammelt hatten, drehten sich gaffend um. Bran lief über die Kaimauer und drängte sich durch die Menge.
Am Ende des Hafenplatzes kam ihm Kianna entgegen. »Sie wollte allein beten«, flüsterte die mollige Frau. »Ich habe hier auf sie gewartet. Das ist ein schwerer Moment für sie.«
Bran ließ die Galuene stehen. Er wollte nichts mehr hören. Er durfte nicht anfangen zu zweifeln.
Sie trafen sich einen Steinwurf von der Gasse entfernt. Bran drückte sie an sich und barg sein Gesicht in ihrer Halsbeuge. Tir trug einen blauen Umhang und darunter ein scharlachrotes Kleid; Kleider, wie nur reiche Tirganerinnen sie trugen. Er hatte sie gebeten, diese Kleider gut zu verstauen, weil sie auf der Reise nur abgenutzt würden.
»Geh mit mir an Bord.« Sie schob ihren Arm unter den seinen. Der Bronzering glänzte im Sonnenlicht. »Die Leute starren schon.«
Bran tat, was sie sagte. Er führte sie über den Hafenplatz, und die Menschenmenge teilte sich, um sie passieren zu lassen. Niemand sagte etwas, aber an ihren Blicken konnte er ihr Missfallen ablesen. Die Seeleute wussten Mut durchaus zu würdigen, aber Tir war die Tochter von Visikals Bruder und die Letzte seines Geschlechts. Nicht einmal der Skerg hatte sein Volk dazu bringen können zu akzeptieren, dass Bran sie ihnen wegnahm.
Dielan trug Kiannas Sack an Bord, und Tir ging an die gegenüberliegende Bordwand. Es lagen nur noch wenige Felle und Leinenbeutel an Deck, die die Männer aber bald unter Deck verstaut haben würden. Gorm und Orm waren damit beschäftigt, die Wassertonnen am Mast festzuzurren. Jetzt war es bald so weit. Bran ging auf den Kai hinunter, warf das letzte Seilbündel an Bord und lief an der Kaimauer entlang. Das zweite Langschiff lag am Ostende des Hafens.
Bran hatte Taran gebeten, als Steuermann mitzufahren, da Taran oft mit Hagdar gesegelt war und an der Ostküste überwintert hatte, als sie noch in der Felsenburg gelebt hatten.
Taran hatte keine Zeit vergeudet. Als Bran das Schiff erreichte, wurden gerade die Springe eingeholt, die das Schiff vor dem Westwind geschützt hatten. Bran zog sich am Achtersteven an der Bordwand hoch, wo Taran am Steuerruder stand. Der rothaarige Mann drehte das blank geschliffene Griffstück in der Hand und kaute an seinem Bart herum, wie er es zu tun pflegte, wenn er nervös war.
»Wie ich sehe, seid ihr fertig«, sagte Bran. Taran zuckte zusammen. »Das ist auch nicht anders, als einen Spitzbug zu manövrieren.« Bran legte die Arme auf die Bordwand und ließ den Blick über das Deck schweifen. Die Tirganer waren hier an Bord gegangen, neun Mann an der Zahl, einer für jede der jungen Witwen. Bran sah in ihnen noch immer Witwen, denn niemals würde er den Kampf in der Bergschlucht vergessen. Für ihn würden sie auf alle Zeit die Frauen der Männer bleiben, die dort ihr Leben gelassen hatten. Aber er wusste auch, dass es gut war, dass die Tirganer sie begleiteten, da einige der Witwen Kinder von ihnen erwarteten.
Nosser und ein paar andere aus dem Felsenvolk waren
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