Das Verheissene Land
Visikal hinüber, der den Becher in seinen narbigen Händen drehte und sich ständig über den Bart strich. Bran kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass Visikal etwas Wichtiges zu sagen hatte.
Mit einem Mal erhob sich der grauhaarige Mann vor seinem Stuhl. Er beugte sich zu dem Gluthäuflein herunter, schichtete neue Tangbündel auf, die neben dem Kamin lagen, und fachte mit dem Schürhaken die Restglut an.
»Ich habe euch vom Turm aus beobachtet«, sagte der Skerg, den Blick auf die Flammenzungen gerichtet, die über den getrockneten Tang leckten. »Du hast erstklassige Arbeit geleistet mit dem alten Schiff. Blutskalle wäre stolz auf dich gewesen. Aber ich habe auch gesehen, dass dein Volk gewachsen ist, und ich habe mir Gedanken gemacht.«
Bran schob sich mitsamt Stuhl vom Tisch weg.
»Ein überfülltes Schiff gebiert Krankheit, und außerdem ist es kein Ort für eine Frau von Stand wie die Tochter meines Bruders. Darum habe ich beschlossen, dir eins von Tirgas Langschiffen zu überlassen.« Visikal verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn du deinen besten Mann abstellst, um es zu segeln, kannst du auf das Westmeer hinausfahren und nach dem Land suchen, dass deine Träume dir offenbart haben. Das ist mein Wille.«
Bran erhob sich und stützte sich auf der Tischkante ab. Er konnte es kaum glauben. Mit zwei Langschiffen brauchte er sich keine Sorgen mehr zu machen, dass es auf der Tigam zu eng werden würde. Und so konnten die Männer noch mehr Wasserfässer und Säcke mit getrocknetem Fisch verladen.
»Zwei Messer und Storm haben Order, dir zu folgen.« Visikals Blick schweifte über die Waffen an den Wänden. »Viele sagen, hinter dem Sturmrand sei die Welt zu Ende. Wenn sie Recht haben, wirst du Tir mit dir in den Tod nehmen. Und dein ganzes Volk wird in den Stürmen umkommen.«
»Ich habe geträumt«, sagte Bran. »Ich habe Land gesehen dort draußen. Einen schwarzen Strand. Ebenen und Berge.«
»Wenn die Götter es wollen, wird es so sein.« Visikal wandte sich zu ihm um.
»Warum hast du Zwei Messer und Storm befohlen, mit mir zu kommen?«, fragte Bran. »Sie stammen nicht aus meinem Volk und haben sich keiner unserer Frauen versprochen.«
Visikal war auf dem Weg zur Tür. »Zwei Messer und Storm werden auf deinem Langschiff mitsegeln und zu deiner Mannschaft gehören. Sie werden mit euch zusammen zu dem neuen Land segeln, falls ihr dort draußen tatsächlich etwas anderes als Meer vorfindet. Sollte dem so sein, werden Zwei Messer und Storm euch nicht weiter folgen. Sobald dein Volk an Land gegangen ist, werden die beiden die Segel setzen und mit Tirgas Langschiff umkehren. Und sollten sie die Stürme und die Fahrwasser der Vandarer überleben, werden sie hierher zurückkehren, um mir zu berichten, was sie gesehen haben.«
Visikal öffnete die Tür und trat in den Säulengang hinaus. Bran folgte ihm auf unsicheren Beinen, streckte sich nach dem Umhang auf der Kiste und warf ihn sich über die Schultern. Über dem Hofplatz fiel dichter Regen.
»Wir hätten über tote Verwandte reden können. Über Krieger und Ehre. Wir hätten uns über die Gerüchte über die Rachepläne der Vandarer austauschen können und welche Schlachten noch stattfinden werden. Aber dies ist nicht der rechte Zeitpunkt für derartige Gespräche.«
Bran trat in den Regen hinaus. In der Mitte des Platzes drehte er sich um und grüßte Visikal mit der offenen Hand. »Hab Dank!«
Der Skerg schlug den Umhang fester um sich. »Lies in den Wolken. Der Windumschwung treibt den Regen über uns hinweg. Ihr werdet günstigen Fahrtwind bekommen!«
Bran hakte das Steuerruder hinter den Lederriemen. Visikal hatte alt ausgesehen dort in dem Säulengang. Wie ein satter, betagter Wolf hatte er sich abgewandt und war unter der niedrigen Türöffnung verschwunden. Es war so, wie Turvi sagte. Irgendwann holt der Winter jeden von uns ein.
Virga sprang an Bord. Der Junge hatte links und rechts einen Seesack über die Schulter geschwungen, und an seinem Gürtel hingen drei Pfeilköcher.
»Bran!« Er ließ die Seesäcke fallen, wo er stand.
Bran lächelte ihn an. Virga war einer der wenigen Tirganer, der aus freien Stücken mitkam. Tarba sagte, dass sein Verstand nicht zu etwas anderem reichte, und hatte lange versucht, ihn zum Bleiben zu überreden. Aber als bekannt wurde, dass Visikal Bran und seinem Volk ein Langschiff gegeben hatte und dass Zwei Messer und Storm Bran begleiten würden, hatte der Junge all seinen Mut
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