Das Verheissene Land
Tropfen gepeitschten Wellen am Schiff vorbei. Wasser troff vom Querbaum auf das Segel und rann an diesem herab. Es tropfte von jeder Schot und jedem Fall und rann in kleinen Bächen über die Decksplanken, ehe es sich in einem kleinen See sammelte, der sich über das ganze Deck ausbreitete. Das Regenwasser schwappte hin und her, bis es schließlich hinten an der Reling einen Weg durch die Löcher über Bord fand. Seit drei Tagen regnete es jetzt ununterbrochen und Bran blickte immer wieder zu dem tief liegenden Himmel empor, in der Hoffnung, ein Anzeichen für einen aufkommenden Wind erkennen zu können. Doch der Bruder der Sonne sah sein Schiff nicht, und das Segel hing nass und nutzlos vom Querbaum herab.
Einen Pfeilschuss backbord von ihnen trieb Nangors Langschiff durch die Wellen. Bran konnte die Gestalt des Seeräubers durch den Regen nur erahnen, doch manchmal ließ Nangor das Steuerruder los und kletterte auf den Achtersteven, um ihm irgendetwas über wechselnde Strömungen oder Windböen zuzurufen. Doch Wind hatten sie schon lange keinen mehr verspürt und noch immer war Ar wie ein grüner Streifen Land im Süden zu erkennen. Bran erinnerte sich an die Rückreise von dem Krieg und glaubte, sie müssten sich jetzt genau zwischen Tirga und Arborg befinden. Drei Tage hatte es damals gedauert, doch da hatten auch drei mal zehn Krieger an den Rudern gesessen. Jetzt waren es nur fünfzehn, der Rest der Mannschaft bestand aus Frauen und Kindern. Die Männer hatten sich in der ersten Nacht auf der Route nach Nordwesten in die Riemen gelegt, und er hatte Turvi das Steuerruder übergeben und selbst auf einer Ruderbank unter Deck Platz genommen. Auch die Frauen hatten mitgeholfen und es schmerzte ihn zu sehen, wie sie sich mit den schweren Rudern abquälten, denn das schien ihm keine Frauenarbeit zu sein. Als der Morgen sie mit Windstille und Regen überraschte, ließ er das Segel vom Querbaum herab und das Schiff mit der Strömung nach Westen treiben. Und jetzt warteten sie bloß auf Wind.
Lange schon stand er da und starrte in das graue Wetter. Der Schaffellumhang lag wie ein nasses Zelt um ihn. Jedes Mal, wenn er sich umdrehte, um nachzusehen, wo Nangor war, rann das Regenwasser am Rand seiner Kapuze entlang, ehe es in seinen Halsausschnitt lief. Er fror nicht, doch die Stille brachte die Sorgen mit sich. Ohne Wind waren die Schiffe eine leichte Beute für Vandarer oder Seeräuber. Nangors Langschiff war schneller, aber auch das würde eingeholt werden, wenn nicht genug Männer an den Rudern saßen. Und er dachte daran, dass ihn die Seeleute in Tirga immer wieder bedrängt hatten, so viele Wassertonnen wie möglich zu laden. Die Träume hatten ihm nicht gesagt, wie weit das Land auf der anderen Seite des Sturmrandes entfernt war, und wenn sie dort draußen in eine Flaute gerieten, würden sie viel Wasser brauchen. Er hatte Geschichten über Seeleute gehört, die in völliger Windstille gefangen und schließlich unter der brennenden Sonne verdurstet waren.
Der Rauch quoll langsam unter der Luke hervor. Sie war angekippt, so dass der Regen nicht hineinfallen konnte. Bran lehnte seinen Rücken gegen den Achtersteven. Er konnte ihre Stimmen dort unten hören. Linvi und Gwen sprachen am Feuer miteinander, doch durch den Regen konnte er die einzelnen Worte nicht verstehen. Jetzt, da die Ruder eingezogen worden waren, schliefen die meisten unter ihren Fellen. Auch Bran war müde und stünde er nicht am Ruder, hätte auch er sich schlafen gelegt.
Da klatschte die Luke aufs Deck. Bran riss die Augen auf und schüttelte das Wasser von seiner Kapuze. Lillevord und der Sohn von Kai kletterten mit nackten Füßen an Deck und begannen in der großen Pfütze herumzuhüpfen. Kaers wilde Mähne tauchte in der Luke auf und dann rief er nach ihnen, doch die Jungs rannten zum Bug und versteckten sich dort hinter den Wassertonnen.
»Lass sie doch.« Bran wischte sich das Wasser unter der Nase weg. »Bei der Windstille können sie doch nichts anstellen.«
Kaer kratzte sich am Hals. Dann gähnte er und schloss die Luke wieder hinter sich. Bran hörte, wie er Turvi sein Leid klagte, doch der Einbeinige antwortete ihm nicht.
Lillevord und der Sohn von Kai trieben sich noch eine Weile zwischen den Tonnen herum. Bran sah ihre strubbeligen Köpfe hinter einer Taurolle und beobachtete sie, während sie dort vorne herumspukten. Er wusste, dass sie versuchten, sich vor ihm zu verstecken, doch bald würden sie ungeduldig werden und etwas
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