Das Verheissene Land
zusammengenommen und den Skerg um Erlaubnis gebeten, seinem Tileder folgen zu dürfen. Virga selbst hatte das erzählt, und es überraschte Bran nicht, dass Visikal zugestimmt hatte. Falls sie das Land hinter dem Meer erreichten, würden Zwei Messer und Storm jede Hilfe brauchen, um das Schiff zurück nach Tirga zu segeln.
Nun kam Linvi an Bord. Sie gab den Kindern ein Zeichen, ihr zu folgen. Hagdar stemmte die Hände in die Hüften und lachte laut. Seine drei Söhne ließen die aufgerollten Felle und Speere fallen und rannten zwischen die Wassertonnen im Bug. Hagdar zog Linvi zu sich und hob sie hoch. Das war wieder der gute alte Hagdar, dachte Bran. Und er war froh, den großen Mann so zu sehen. Sie brauchten ihn.
Bran schlenderte an den Schilden entlang. Die Tirganer standen dicht gedrängt auf der Kaimauer, an der das Schiff lag. Sie waren gekommen, um zu sehen, wie er sein Volk aufs Meer hinausführte, und zeigten tuschelnd aufs Wasser. »Die blutroten Wellen des Sturmrandes…« Die wettergegerbten Seeleute steckten die Köpfe zusammen und spähten voller Misstrauen zu ihm hoch. »Das Ende der Welt…« Die Frauen drückten ihre Kinder fest an sich. Bran wandte den Blick von ihnen ab. Er ging in den Bug und kletterte auf die Reling, wobei er sich am Bugsteven abstützte. Einer von Hagdars Söhnen kam unter einer Felldecke hervorgekrochen und entdeckte ihn.
»Na, Gar?« Bran hockte sich auf die Reling. »Was meinst du, hält der Fahrtwind an?«
Gar schob den Zeigefinger in die Nase und kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Bran sprang zu ihm hinunter. Der Junge trug eine verdreckte Pelzweste, und sein Wollumhang schlabberte um seine lehmverschmierte Lederhose.
»Komm.« Bran packte ihn am Arm. »Eure Mutter weiß euch sicher lieber unter Deck, wo sie euch im Auge hat. Stell dir mal vor, du verpasst die Abfahrt? Wir können nicht den ganzen Weg aus dem Land auf der anderen Seite des Sturmrandes zurücksegeln, um dich zu holen!«
»Das Land gibt es nicht!« Der Junge zog seinen Arm weg und verschwand hinter einer Tonne. »Das hab ich gehört, als die Erwachsenen sich unterhalten haben! Sie sagen, dass du lügst!«
Bran ging auf die Knie und krabbelte hinter ihm her. Gar saß an einen Kornsack gepresst da und hatte sich den Wollumhang über den Kopf gezogen. »Wer sagt das?« Bran hob einen Zipfel des Umhangs an. »Nicht dein Vater oder deine Mutter, oder? Hat Narien sich wieder Geschichten ausgedacht?«
Der Junge schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen. Bran reichte Gar die Hand, aber er wollte sie nicht ergreifen.
Da spürte Bran ein Bein an seinem Arm. Linvi beugte sich über ihn und schlug den Umhang über dem Gesicht des Jungen beiseite.
»Hier steckst du also?« Sie nahm ihn auf den Arm und zwinkerte Bran zu. »Ruf mich einfach, wenn er dir im Weg ist.«
Bran krabbelte zwischen den Kornsäcken und Tonnen hervor. Als er sich erhob, stellte er fest, dass Zwei Messer und Storm bereits an Bord waren. Sie standen in Brünnen gekleidet und mit Bögen auf dem Rücken neben dem Landgang. Die Pfeilköcher hingen schwer an ihren Gürteln, und Zwei Messers Hände ruhten über seinen beiden Kurzschwertern. Storm stellte seinen Seesack auf den Decksplanken ab und raunte Zwei Messer etwas ins Ohr, worauf Zwei Messer kurz nickte und sich mit zusammengekniffenen Augen umsah. In dem Moment sprang Dielan vom Landgang an Deck, und die beiden Krieger zogen ihre Seesäcke hinter sich her in den Achtersteven.
»Wir sind klar zum Ablegen!« Dielan streckte seine Arme Konvai entgegen, als Gwen den Kleinen über die Reling hob, und nahm ihn in Empfang. Konvai fing gerade an zu laufen, und Dielan war deswegen mächtig stolz. »Seht ihn euch an«, rief er und strich seinem Sohn das schwarze Haar aus der Stirn. »Bald läuft er uns allen davon!«
»Pass bloß auf, dass er nicht über Bord klettert.« Bran lief übers Deck und zeigte auf die Luke. »Sucht euch achtern einen Platz. Dort habt ihr es warm von der Schmiede.«
Zwei Messer und Storm erhoben sich von ihren Seesäcken und begrüßten ihn.
»Visikal hat uns Order mit auf den Weg gegeben.« Zwei Messer blinzelte in die Sonne, die über den Bergen stand. »Wir werden dir durch den Sturmrand folgen und auch dann keine Furcht zeigen, wenn die Schiffe über den Rand der Welt hinaussegeln.«
Bran senkte den Kopf. Er wusste, was für ein Opfer das für die beiden Brüder bedeutete. Sie hatten geschworen, ihre Familie zu rächen, die von den Kriegern der
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