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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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sie ihn an den Ruderbänken vorbeiführte. Die Talglichter flackerten an den Deckenbalken und Turvi betrachtete die schöne, rothaarige Frau, die einen Tirganer zum Mann genommen hatte. Er musste lächeln, denn ihr Bauch wuchs mit jedem Tag. Und er betete zu Kragg, die Kinder dieses Sommers noch sehen zu dürfen.
    Der Vorhang vor dem Bugraum war zur Seite geschlagen worden und eine Fackel brannte über dem Verwundeten. Cergan lag auf einem Pelz auf dem Schiffsboden, gestützt von zusammengerollten Decken und Kornsäcken. Sein Oberkörper war entblößt und auf seiner Brust leuchteten rote Male von dem Schild. Turvi kletterte über den Querbalken und kroch zu ihm. Nemni ließ sich auf der anderen Seite neben dem Verwundeten nieder und legte ihre Hand auf dessen Stirn. Cergan öffnete seine geschwollenen Augenlider. Sein rechter Arm war geschient und mit Stoffstreifen umwickelt.
    »Chogg und Sortsverd haben sich um seinen Arm gekümmert. Sie haben mich nicht zusehen lassen. Es tat ihm weh, als sie das machten. Ich hab ihn…« Nemni legte den Kopf auf seine Brust. Als sie zu zittern begann, klopfte ihr Turvi auf den Rücken.
    »Sie haben den Bruch gerichtet. Das muss man machen, damit alles wieder richtig zusammenwächst. Sie sind Krieger und wissen so etwas. Doch jetzt solltest du etwas essen. Lass mich hier eine Weile bei ihm sitzen.«
    Nemni küsste Cergan auf die Stirn, stand auf und ging aus dem Bugraum. Turvi bewegte den Kopf hin und her. Der Verwundete blickte ihr nach, seufzte und schloss die Augen wieder.
    »Ich werde heute Nacht hier bei dir wachen.« Turvi betastete Cergans Stirn mit seinem Handrücken. Sie war nicht wärmer als gewöhnlich. Vielleicht würde Cergan kein Wundfieber bekommen. »Du gehörst jetzt zu meinem Volk, und wie ich am Krankenbett meines besten Freundes sitzen würde, so wache ich auch bei dir.«
    Cergan atmete tief ein. Seine Nasenflügel waren von angetrocknetem Blut verklebt und Turvi glaubte, dass auch die Nase gebrochen war.
    »Velar«, hauchte er.
    »Er war den ganzen Tag über an den Mast gefesselt.« Turvi sah zum Deck empor. »Der hat seine Strafe bekommen.«
    Der Tirganer zog seine blutigen Lippen zurück und wurde blass. Turvi streichelte ihm wie einem Kind über die Hand. »Er wusste nicht, was er sagte. Velar war immer so. Aber wie auch immer er deine Frau genannt hat, das ist jetzt vergessen.«
    Cergan schien dadurch nicht besänftigt, denn er ballte die Faust seines unverletzten Armes und wollte sich aufrichten. Doch Turvi hielt ihn zurück. Die Monde in Tirga hatten ihn einiges über dieses kriegerische Volk gelehrt. Sie waren stolz und zögerten nie, ihr Verachtung über ihre Feinde im Westen zu zeigen. Doch Turvi hatte auch eine andere Seite dieses Volkes kennen gelernt; die Tirganer waren hochmütig und rachsüchtig.
    »Du musst vergessen, was heute geschehen ist«, sagte er. »Du musst verstehen, dass du jetzt einer von uns bist. Du hast dich entschieden, mit Kraggs Volk in das Land auf der anderen Seite der Stürme zu reisen. Vergiss also deine Rachegedanken.«
    Cergan legte sich die Hand auf die Brust. Die blauroten Male verliefen kreuz und quer über die behaarte Haut.
    »Ich möchte dir etwas über das Felsenvolk erzählen.« Turvi schob seinen Beinstumpf zur Seite. »Das meiste hat dir Nemni sicher schon gesagt, doch sie weiß nur wenig über die Träume, die der Himmelsvogel Bran eingibt.«
    Der Tirganer wandte den Kopf von ihm ab. »Du sprichst von fremden Göttern. Ich habe diesen Himmelsvogel Kragg nie gesehen.« Er seufzte, und seine Stimme wurde zu einem schwachen Flüstern. »Cernunnos habe ich gesehen. Ich habe oben im Turm seine steinerne Haut berührt. An ihn kann ich glauben.«
    Turvi saß eine ganze Weile da und dachte über diese Worte nach, denn er hatte gehofft, dass die Tirganer Kragg als einen ihrer Götter anerkennen würden. Doch Götter und Glauben waren mächtige Dinge, und er klagte sie nicht an. Mit der Zeit würden wohl auch sie die Schwingen sehen, die den Himmel verdeckten und der Welt die Nacht brachten. Turvi kroch zu den Füßen des Verwundeten. Dort stand ein Eimer, und als er einen Lappen benetzte, um Cergans Stirn zu kühlen, sah er die Ringe, die sich auf der Wasseroberfläche abzeichneten. Das Schiff zitterte vor Kraft, als die Windböen die Segel blähten.
    »Hör nur.« Er legte den Lappen über die Stirn des Tirganers. »Hörst du, wie das Segel knattert?«
    Cergan öffnete die Augen. Der Abendwind frischte wieder auf. Der

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