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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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lachen.
    Bran schlug den Umhang fester um sich. Es war ihm unangenehm, dass die Jungen ihn so anstarrten. »Dann wisst ihr es also«, brummte er. »Und wie ich Orm kenne, hat er nichts ausgelassen.«
    »Er hat erzählt… darüber eben…« Lillevord blickte Hilfe suchend zu Kais Sohn, der nicht aufhören konnte zu grinsen.
    Bran zog das Steuerruder zu sich her. Er ließ die Wellen vor dem Bug nicht aus den Augen und versuchte, die höchsten Kämme zu umschiffen, während er mit den beiden Jungen redete. »Ich dachte, das wüsstet ihr längst. Deine Mutter erwartet doch auch ein Kind, Lillevord. Hast du dich nie gewundert, was die beiden machen, wenn du nachts wach wirst und…« Bran biss sich auf die Zunge. Es war schließlich nicht seine Aufgabe, den Jungen etwas zu erklären, was ihnen noch fremd war.
    »Ich wache manchmal auf, weil sie träumen«, sagte Kais Sohn. »Vater träumt, dass er auf der Jagd ist und ganz außer Puste, weil er die ganze Zeit rennen muss.«
    Bran lachte. Er konnte Kai vor sich sehen, mit hochrotem Gesicht und dem weiten Leinenhemd über der behaarten Brust. Eine dämlichere Erklärung hätte ihm wirklich nicht einfallen können. Aber das war immer noch besser als das, was sein eigener Vater gemacht hatte. Bran fasste sich in den Nacken, als die schmerzliche Erinnerung aufblitzte. Sein Vater hatte sich wie ein gewaltiges, haariges Tier mit funkelnden Zahnreihen in dem schwarzen Bart von den Decken erhoben, Bran und Dielan an den Oberarmen gepackt und sie zur Tür rausgeschoben. Und dort draußen hatten sie zu bleiben, bis ihre Mutter ihnen, ihren weichen Körper in eine Decke gewickelt, die Tür öffnete und sie wieder ins Warme ließ. Sein Vater hatte dann bereits wieder schnarchend unter seinem Bärenfell gelegen.
    »Geht jetzt nach unten.« Bran zog die Kapuze über den Kopf. »Eure Mütter wundern sich bestimmt schon, wo ihr steckt.«
    Die Jungen hatten genug gelacht, und die Stöcke kamen ihnen, gemessen an dem langen Jagdmesser, das der Häuptling an seinem Gürtel trug, inzwischen auch ziemlich kläglich vor. Kurze Zeit später stand Bran wieder allein an Deck. Er lauschte den Wellen und dem Wind, der sich am Mast brach, und starrte die ganze Zeit nach Westen, zu den schwarzen Wolken am Horizont. Er spürte das rhythmische Schlagen am Rumpf, den Pulsschlag der See, bis in die Steuerpinne hinein. Es war stärker als je zuvor. Das Schicksal seines Volkes hing von der Gnade des Meeres ab. Er betete zu ihm und gestand ihm seine Angst und seine Ehrfurcht. Und er betete für seine Frau und das ungeborene Kind.
     
    Die Langschiffe segelten weitere zwei Tage mit kräftigem Wind Richtung Westen. Der Himmel verdunkelte sich immer mehr und am dritten Morgen ertönte im Westen der erste Donnerschlag. Die Leute des Felsenvolkes, die solche Unwetter aus dem Gebirge im Norden gewohnt waren, sahen zu den Wolken empor und nahmen Witterung auf wie die Wölfe. Sie spürten den Wetterumschwung; nicht einmal Nangor hätte ihn zuverlässiger vorhersagen können. Und tatsächlich, als sich am Ende des dreißigsten Tages, nachdem das Felsenvolk Tirga verlassen hatte, die Nacht auf das Meer herabsenkte, legte sich der Wind plötzlich. Die Wolken ballten sich zusammen und die Langschiffe blieben auf den gigantischen Wellen liegen.
    Dielan stand am Steuerruder, als die Windstille eintrat. Außer ihm waren nur noch Bran und Hagdar an Deck. Hagdar ging in den vorderen Teil des Schiffes und kletterte neben dem Bugsteven auf die Reling. Der große Mann bewegte sich mit jeder Krängung des Schiffes von Seite zu Seite. Dielan umklammerte die Steuerpinne so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Als Bran zu den Wolken emporblickte, hingen sie so tief, dass es aussah, als ob die Mastspitze sie jeden Moment aufschlitzen könnte. Hinter dem Achtersteven hatte sich eine dunkle Wand vom Himmel herabgesenkt und schirmte den Ostwind ab. Bran verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Haut war klamm vor Schweiß.
    »Die Ruhe vor dem Sturm.« Er sah mit zusammengekniffenen Augen nach Westen. Inzwischen war es vollkommen dunkel.
    »Was hast du gesagt?« Dielan schob eine Hand hinter den Gürtel. Als eine Welle jäh den Rumpf hob, griff er Halt suchend nach der Reling.
    Er schrie laut auf. Unter seinen Fingern spritzten Funken. Er zog die Hand weg und schüttelte sie. Bran war mit einem Satz bei ihm.
    »Ah, das tat weh!« Dielan rieb sich die Hand am Oberschenkel. »Das brannte wie Feuer! Hast du die Funken

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