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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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gesehen?«
    Bran ergriff das Steuerruder und richtete das Schiff wieder auf. Dielan drückte sich dicht an ihn, um der Bordwand ja nicht zu nahe zu kommen. Hagdar lief über das Deck, als Gwen aus der Luke geklettert kam. Dielan duckte sich unter dem Steuerruder hindurch und lief ihr entgegen.
    »Bleibt von den Schilden weg!« Hagdar zeigte auf die Reihe der bronzenen Schilde an der Bordwand und gab Kaer und Orm ein Zeichen, die Hände von den Eisenbeschlägen am Mast zu lassen. Danach wandte er sich an Bran. »Das ist Zauberei. Alle Schilde und Speere sprühen Funken! Hast du auch davon geträumt, Bran? Weißt du, was hier passiert?«
    Bran zog das Steuerruder zu sich und lenkte das Schiff in ein Wellental. Kein Traum, kein Gott hatte ihm von dem erzählt, was gerade geschah.
    »Das ist nicht gefährlich«, rief er. »Dielan ist nicht verletzt. Solange wir uns von den Schilden fern halten, kann…«
    Hagdar stellte sich neben ihn und klopfte ihm mit seiner Pranke auf die Schulter. Bran verstand, dass es wenig Sinn hatte, dem großen Mann etwas vorzumachen. Dazu kannte ihn Hagdar viel zu gut.
    Sie blieben zusammen am Steuerruder stehen, bis die Männer wieder unter Deck geklettert und die Stimmen verstummt waren. Hagdar zeigte zu der schwarzen Wand im Westen, wo die Wolken gegeneinander anzurennen schienen. Sie wussten beide, dass der Sturm jeden Moment losbrechen konnte.
     
    Kurze Zeit später bemerkte Bran, dass das zweite Langschiff auf sie zuhielt. Nangor stand auf der Reling neben dem Achtersteven und winkte mit den Armen. Bran drehte bei, um ihm entgegenzufahren. Als die beiden Schiffe nur noch wenige Wellenlängen voneinander entfernt waren, sah Bran, dass Nangor mit nacktem Oberkörper am Steuerruder stand. Er sah älter aus; die letzten Tage schienen an ihm gezehrt zu haben. Tiefe Furchen durchzogen seine Stirn, und er hatte zur Begrüßung kein Lachen für sie übrig.
    »Wir müssen den Querbaum runterholen und an Deck festbinden!«, rief er. »Der Sturm kann jeden Augenblick losbrechen!«
    Bran wischte sich über die Stirn. Der Seeräuber hatte Recht. Die drückende Luft verkündete ein Gewitter.
    »Manannan soll wissen, dass du ein mutiger Mann bist!« Nangor sprach laut, wobei er die Wellen vor dem Bug nicht aus den Augen ließ. »Dieses Meer ist nichts für Sterbliche. Diese Wolken verheißen nichts Gutes. Und die Luft ist voll von nicht entzündetem Feuer!«
    »Welch Wortschwall aus deinem Mund«, sagte Hagdar grinsend. Er versuchte zu lachen, aber weder Bran noch Nangor stimmten in sein Lachen ein.
    »Wir werden den Querbaum und das Segel runternehmen.« Bran überließ Hagdar das Steuerruder und ging zum Mast.
    »Warte!« Nangor streckte den Arm nach ihm aus. »Lass mich noch etwas sagen, ehe der Sturmrand uns verschluckt.«
    Bran drehte sich um. Nangor lenkte das Schiff noch eine Wellenlänge näher heran.
    »Ich bin kein Träumer«, sagte er. »Aber Manannan spricht zu mir durch die Strömungen und den Wind, und zum ersten Mal, seit das Meer meine Heimat ist, habe ich Angst. Sollte die schwarze Wand dort draußen das Ende der Welt sein, mag Manannan mit Gnade auf meine Seele herabsehen. Ich hoffe, dass die Träume dir wirklich von euren Göttern eingegeben wurden.«
    Darauf zog Nangor das Steuerruder zu sich herüber, und sein Schiff verschwand hinter einer Welle. Kurz danach ertönte seine raue Stimme, und Segel und Querbaum wurden am Mast heruntergelassen, während das Langschiff sich immer weiter entfernte. Bran öffnete die Luke und rief ein paar Männer nach oben, die ihm halfen, den Querbaum an Deck herunterzuholen. Danach rollten sie ihn steuerbord vor die Reling und zurrten ihn mit Seilen daran fest. Bran bat die Männer, die Wassertonnen unter Deck zu tragen und an den Balken festzubinden. Die Männer sahen besorgt zum Himmel, der sich unablässig tiefer über den Mast senkte.
     
    Den Rest der Nacht stand Bran am Steuer. Er folgte den Wellen, die immer größer wurden, je weiter das Schiff westwärts trieb. Das wunderte ihn, weil es eigentlich keinen Wind gab. Das Schiff trieb wie ein Stück Birkenrinde zwischen den lang gestreckten, glatten Wellen dahin, und er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis der Morgen endlich sein Licht über das Meer ausstreuen würde. Aber als die Männer und Frauen an Deck kletterten, um sich nach dem Nachtschlaf zu strecken und die Beine zu vertreten, wurde ihm klar, dass die Sonne nicht bis zu ihnen durchdringen würde, um sie zu wärmen. Die

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