Das Verheissene Land
Steine. Die Fischmenschen schrien wie Möwen und rannten zum Achtersteven zurück. Er schloss die Augen.
Der Stoß ließ das Schiff erzittern. Es blieb abrupt stehen, kippte über seinen eigenen Bug und bebte wie unter Krämpfen. Dann schlugen die Wellen über das Heck und begruben das Deck unter Wasser. Bran wurde über das Deck gespült, ehe sein Rücken gegen die Reling gedrückt wurde. Das Wasser presste ihn dagegen, während sich das Schiff langsam über die brodelnde Oberfläche hob. Dann wurde es nach vorne geworfen, und die Schären kratzten über den Kielbalken. Wieder spülte eine Welle über das Deck, und Bran hielt die Luft an, während sich das Schiff aufzurichten versuchte. Doch auch dieses Mal rann das Wasser vom Deck. Bran erkannte die grauen Steinzähne hinter dem Achtersteven. Sie hatten den steinernen Gürtel durchbrochen.
Die Fischmenschen steuerten das Schiff der untergehenden Sonne entgegen. Die Männer an Deck wagten sich kaum zu rühren und sie wollten die Frauen und Kinder unter Deck nicht verraten. Zweimal klopfte Turvi an die Luke und verlangte, an Deck kommen zu dürfen, denn er hatte gespürt, dass der Sturm vorüber war, und wollte wissen, was geschehen war. Doch die Männer taten so, als hörten sie ihn nicht, und versammelten sich an der Luke, während sie die Fischmenschen voller Misstrauen beobachteten. Die großen, schuppigen Geschöpfe standen jetzt still da. Alle hatten ihre echsenartigen Gesichter auf das Wasser vor dem Bug gerichtet. Lange, mit Schwimmhäuten verbundene Finger umklammerten die weißen Speere und ihre glänzenden Brustkörbe hoben und senkten sich im Takt mit ihren tiefen Atemzügen.
Als die Nacht kam, wurde ihre Schuppenhaut dunkel wie die Wellen, so dass nur noch die gelblichen Augen zu sehen waren. Sie leuchteten wie Luchsaugen.
In dieser Nacht ebbte der Wind vollends ab und die Wellen wurden zu einer sanften Dünung, die schließlich in eine spiegelblanke Wasseroberfläche überging.
Bei Tagesanbruch stand Hagdar auf. Er tat es langsam und zeigte den Fischmenschen seine offenen Handflächen.
»Wo bringt ihr uns hin?« Er wandte sich an den Großen am Steuerruder. Der Fischmensch öffnete seinen Mund und fauchte. Seine Artgenossen legten ihre Speere hin und schwankten zu ihm, wobei ihre langen Schwänze über das Deck fegten. Hagdar sah neben ihm ganz klein aus, und als sie ihn an den Armen fassten und zum Bug führten, nahm Bran all seinen Mut zusammen und sprang zu ihren Schwertern. Dielan schrie auf und hastete ihm nach, doch Bran erfuhr niemals, ob sein Bruder kämpfen oder ihn daran hindern wollte. Denn die Fischmenschen hatten sich bereits auf ihn geworfen. Er spürte ihre Krallen im Rücken. Der eine von ihnen hob ihn hoch und hielt ihn vor sein hässliches Gesicht. Bran versuchte sich abzuwenden, als der Fischmensch sein breites Maul öffnete und ihn anzischte. Dann wurde er auf das Deck zurückgestellt, und die Fischmenschen deuteten zum Bug. Dielan und die anderen verstanden. Gemeinsam mit Bran wurden sie zum Vorderdeck geführt. Die Fischmenschen kletterten auf beiden Seiten auf die Reling und saßen dort, während das Schiff über das Meer trieb.
»Wir sind auf die andere Seite gekommen«, sagte Dielan. »Das ist die neue Welt. Du hattest Recht, Bruder.«
Bran sah zum Horizont im Westen, Süden und Norden, falls es in diesen fremden Fahrwassern überhaupt Himmelsrichtungen gab. Überall war nur Wasser. Es war nicht mehr rot, sondern dunkelblau, wie es tiefes Wasser zu sein hatte. Hinter ihm im Osten hingen die Sturmwolken wie ein rußiger Gürtel über dem Horizont. Noch immer konnte er kein Langschiff sehen. Nangor hatte es nicht geschafft. Sie waren allein.
Lange standen die Männer im Bug und sahen über das Meer. Als die Sonne vom Himmel herunterbrannte und der Schweiß unter ihren Pelzen hervorrann, bellte der große Fischmensch am Steuerruder seine Krieger mit ein paar merkwürdigen Lauten an. Die Fischmenschen beugten sich über die Luke und schnupperten, und als sie mit ihren Speeren die Verriegelung lösten, rannte Bran vor und stellte sich ihnen in den Weg. Die Fischmenschen richteten ihre Speere auf ihn, doch Bran wollte um jeden Preis verhindern, dass sie Tir etwas antaten. Dann sollten sie ihn zuerst töten. Dielan rief nach ihm, doch Bran schlug nach den weißen Speerspitzen wie ein Bär, der gegen einen Berg kämpft.
Da fauchte der Steuermann seinen Kriegern etwas zu. Sie senkten die Speere und traten einen
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