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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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alles ein einziges heulendes Dunkel. Die seetüchtigsten Männer des Felsenvolkes wechselten sich am Ruder ab und krochen mit Seilen gesichert über das Deck, um ihre erschöpften Freunde abzulösen. Niemand hatte etwas von dem anderen Langschiff gesehen, doch sie hofften, dass es noch irgendwo dort draußen war. Die Hoffnung war das Einzige, was sie noch hatten.
    Bran blieb bei Tir, denn die Schmerzen wollten nicht von ihr lassen. Er fragte Linvi und Gwen, ob das immer so sei, doch die Frauen hatten Angst und ihre Gedanken drehten sich einzig darum, sich festzuhalten, während das Schiff mit den Wellen kämpfte. Lange lag er neben Tir und tröstete sie, so gut er konnte. Er kaute ihr getrocknetes Fleisch vor und reichte ihr Wasser, denn Brennholz und Trockentang waren durchnässt und wollten nicht brennen. Tir sprach flüsternd über all das Schöne, das sie gemeinsam erlebt hatten, über die Tage, an denen sie unter der weißen Wintersonne durch Tirgas Straßen gewandelt waren, über die Abende am Feuer im Zelt und über die Nächte, in denen sie wach gelegen und über das Kind gesprochen hatten, das kommen sollte. Bran wischte ihr den Schweiß von der Stirn und erzählte ihr von dem Land, das sie sehen würden, sobald der Sturm sich gelegt hatte, und von dem fruchtbaren Tal aus seinem Traum. Und er flehte sie an, diese letzten Tage noch durchzuhalten.
    Keiner wusste, wie lange sie schon durch den Sturm getrieben waren. Siebenmal war Bran an Deck geklettert und hatte das Ruder übernommen. Er stand jetzt zum achten Mal dort, blickte lange zu dem donnernden Himmel empor und fragte sich, ob seine Erschöpfung ihm einen Streich spielte oder ob die Wolken wirklich aufzureißen schienen. Seit der Blitz in den Mast eingeschlagen war, hatte das Himmelsfeuer das Schiff in Frieden gelassen. Auch zuckten keine Blitze mehr auf die Wellen herab. Der Sturm und das tosende Meer waren beinahe zur Gewohnheit geworden, und jedes Mal, wenn das Schiff von einer Welle angehoben wurde, suchte er mit den Augen das Meer vor dem Bugsteven ab. Etwas in ihm erwartete, dort den dunklen Abgrund zu erblicken, doch noch hatte er nichts gesehen. Und jetzt, da er sah, dass sich die Wolken aufzulösen begannen, würden sie bald auf der anderen Seite sein. Sein Traum war also wahr.
    »Dielan!« Er stampfte mit den Füßen auf das Deck. »Hagdar! Turvi! Wir haben es geschafft! Wir sind durch!«
    Hagdars haarige Faust öffnete die Luke. Er kroch an Deck, gefolgt von Dielan und Kaer. Die Männer klammerten sich an die Seile, die über das Deck gespannt worden waren, richteten sich unsicher auf und blinzelten in das schwache Licht.
    »Seht!« Bran löste den Riemen, mit dem seine Hand am Steuerruder festgebunden war. »Die Sonne! Sie steht im Westen über dem Meer!« Er schrie seine Erleichterung und Freude heraus, während Tränen über seine Wangen rannen.
    »Ich werde nie mehr an dir zweifeln.« Dielan stellte sich neben ihn an die Reling, während eine Welle über das Deck spülte. »Jetzt, da die Wolken aufbrechen, wissen wir, dass der Sturm abflauen wird. Wir haben den Sturmrand überlebt, Bruder! Wir haben…«
    Dielan verstummte. Bran spürte die Hand seines Bruders auf seiner Schulter. Das Schiff sank in ein Wellental und als es sich wieder hob, sah auch Bran es. Einige Pfeilschüsse vor ihnen brachen sich die roten Wellen. Schären ragten wie graue Zähne aus dem Meer empor.
    Bran zog das Ruder zu sich herüber. Er wusste, dass das Schiff ohne Mast und Segel manövrierunfähig war, doch er musste versuchen, um das Hindernis herumzusteuern.
    Auch die Männer hatten es jetzt entdeckt. Gorm brach unter Tränen zusammen, und Kaer reckte die Faust zum Himmel. Storm und Zwei Messer waren zum Bug gekrochen und klammerten sich dort an den Steven, während sie in die Brandung starrten.
    »Das schaffen wir nie!« Hagdar verschwand unter einer Gischtwolke, tauchte aber wieder auf und spuckte Salzwasser. »Wir müssen die Kinder an Deck holen, Häuptling! Trag Tir hoch! Wir müssen das Deck aufreißen und ein Floß bauen!«
    Bran steuerte das Schiff seitwärts ein Wellental hinunter. Die Zeit war zu knapp, ein Floß zu bauen. Und was sollte das nutzen, bei diesem Wellengang? Die Wellen waren noch immer unvermindert hoch, und die Sturmböen zerrten an seinen nassen Haaren. Sie waren ein Spielball des Meeres, das ganz allein darüber bestimmen würde, ob sie leben oder sterben sollten.
    »Bittet um Gnade!« Bran spürte die Stimmen der Götter in seinem

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