Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
Hals, und einen Augenblick lang fühlte es sich so an, als spräche das Meer selbst durch ihn. »Sprecht mit den Wellen, den Strömungen, dem Wind! Fleht sie an, unser Schiff an den Schären vorbeizuführen!«
    »Kragg! Hilf uns!« Dielan reckte die Hände zum Himmel. Die Wolken waren aufgerissen und glitten wie Eisschollen auf einem Strom im Frühling auseinander. Die Schären kamen immer näher und Bran schrie gegen den Wind an, wobei er vergeblich versuchte, das Schiff auf einen anderen Kurs zu bringen. Er konnte jetzt den Tang erkennen, der um die steinernen Zähne herumschwappte. Und er erkannte, dass das Schiff niemals an ihnen vorbeikommen würde. Denn dieser Schärengürtel erstreckte sich, so weit er blicken konnte, nach Norden und Süden.
    »Cernunnos!« Er ließ das Ruder los und brüllte in die brennende Sonne. »Sieh mich! Sieh mein Volk! Lass uns leben!« Bran kümmerte sich nicht darum, dass die Männer ihn ansahen, und es scherte ihn auch nicht, dass er ihnen seinen Glauben offenbarte. Jetzt ging es nur noch ums blanke Überleben. Das Schiff wandte den Bug in Richtung Schären und schoss über einen Wellenkamm. Die Männer krochen über das Deck und hielten sich an Reling und Tauen fest. Bran reckte die Arme zum Himmel. Sollte ihn das Meer doch verschlingen, wenn es wollte. Er schloss die Augen und rief die Traumbilder aus der Tiefe seiner Erinnerung wach. Der, der Hörner trägt, hatte sie ihm gegeben. Er hatte seinen Willen in Brans Hände gelegt, doch jetzt vermochte Bran ihn nicht länger zu tragen.
    »Cernunnos…« Er sank auf die Knie. Eine Welle schlug über die Reling und riss ihn mit. Bran gelang es nicht einmal, sich irgendwo festzuhalten. Er spürte den Rand eines Schildes an seinem Bauch, ehe die Welle ihn losließ und ihn hinter der Reling auf das Deck fallen ließ. Bran drehte sich auf den Rücken.
    Das Geschöpf stand an dem gebrochenen Mast. Bran kniff die Augen zu und rappelte sich auf. Sonne glitzerte auf der schuppigen Haut über den nackten Schultern. Hagdar und die anderen, die sich an die lose herunterhängenden Seile klammerten, zuckten zusammen, als sie die groß gewachsene Gestalt entdeckten. Sie hatte Arme und Beine wie ein Mensch, doch zwischen ihren Füßen wand sich ein langer Schwanz über das Deck. Bran stand vorsichtig auf, fiel aber gleich wieder auf die Knie, als das Schiff nach unten kippte. Das Geschöpf hatte den Kopf eines Drachen oder einer Eidechse und der halb geöffnete Mund ließ zwei Reihen spitzer Zähne erkennen. Es trug einen Lendenschurz aus Fischleder, hielt einen weißen Speer in den Händen und hatte eine Kette aus Reißzähnen um den Hals.
    Wieder spülte eine Welle über das Deck. Als sich das Wasser zurückzog, standen drei weitere Fischmenschen an Deck. Der erste hob seinen Speer und schrie etwas mit merkwürdig heiseren Lauten. Dann rannte er zum Achtersteven. Dielan, der noch immer am Ruder stand, wich wie ein ängstlicher Junge zurück, als sich der Fischmensch neben ihn stellte und das Steuerruder mit seinen schuppigen Händen übernahm. Ein anderer war auf den Bugsteven geklettert und hockte dort wie ein zusammengekauertes Tier, während er den anderen etwas zurief. Bran kroch über das Deck und legte sich über die Luke, denn er fürchtete diese Wesen und wollte nicht, dass sie die Frauen und Kinder entdeckten. Fünf Fischmenschen waren jetzt an Deck. Sie waren größer als gewöhnliche Männer und hatten ihre weißen Speere in die Decksplanken gestoßen. Sie alle trugen Lendenschurze aus Fischhaut. Sie hatten keine Haare und ihre Augen sahen aus wie die Augen von Schlangen. Bran bemerkte, dass die zwei größten eine Art Zackenflosse hatten, die sich vom Nacken über den Rücken bis zum Schwanz erstreckte, der unter dem Lendenschurz hervorlugte. Diese Fischmenschen waren breiter als die anderen und kräftige Muskeln bewegten sich wie eiserne Knoten unter der Schuppenhaut. Auch der Fischmensch am Ruder trug eine Kette aus spitzen Zähnen um den Hals. Bran hatte so etwas schon einmal gesehen. Das waren Haizähne.
    »Es ist aus mit uns«, flüsterte Kai. Er spähte zu den Fischmenschen hinüber, die an der Reling standen und nach vorne starrten. »Das sind die Kreaturen des Weltendes. Sie werden uns in den Abgrund stürzen und unsere Seelen fressen!«
    Hagdar klammerte sich an Deck fest. Bran folgte seinem Vorbild. Gleich würde das Schiff an den Felsen zerschmettern. Er konnte schon die Brandung hören und das Klatschen der Wellen auf die

Weitere Kostenlose Bücher