Das Verheissene Land
bluten!« Er streichelte Tir über die Wange. Da lächelte sie ihn an.
»Alles ist, wie es sein muss«, flüsterte sie und legte ihren Arm um seinen Hals. Bran legte sich zu ihr.
Sie atmete schwer. Bran spürte ihren heißen Atem an seiner Wange. Er hatte Angst. Er hatte Angst vor all dem, was sie durchmachen musste, denn er hatte so viele Geschichten über Frauen gehört, die im Wochenbett gestorben waren. Und er musste an die Schwester seiner Mutter denken, die während der Geburt verblutet war.
»Es heißt, wir seien nach Kin-Land gekommen«, flüsterte Tir. »Und ich spüre, dass das Schiff still liegt. Erzähl mir alles, Bran.«
Bran streichelte ihr über die Wange. Er ärgerte sich jetzt. Er bereute die Schwäche, die er gegenüber Turvi und seinem Volk gezeigt hatte. Sie hätte in Tirga bleiben sollen, wo die Galuenen sie hätten pflegen können. Er roch das Blut in dem Pelz, auf dem sie lag und schmeckte ihren Schweiß in seinem Mund.
»Erzähl«, bat sie, »erzähl mir von diesem Ort. Es wird der Geburtsort unseres Kindes werden.«
Dann ging ein Zittern durch sie. Sie stöhnte auf und bohrte ihre Fingernägel in seinen Handrücken.
»Die Wehen werden kräftiger.« Kianna krempelte sich die Ärmel hoch. »Ich werde die Frauen bitten, Wasser heiß zu machen und ein Messer für die Nabelschnur abzukochen.«
Bran umarmte Tir und es tat ihm weh, zusehen zu müssen, wie sie sich unter Schmerzen wand. Sie fletschte die Zähne, knetete seine Hände, rang nach Atem und spannte sich dann wieder an. Bran wusste nicht, was er sagen sollte, und so setzte er sich hinter sie und stützte ihre Schultern und ihren Kopf mit seinen Schenkeln.
Als Kianna zurückkam, atmete Tir aus. Sie lehnte sich an ihn und Bran bekam ein feuchtes Tuch von Kianna, mit dem er Tirs Stirn benetzte.
»Du sollst bei mir bleiben…« Sie sah ihn mit müden, halb geschlossenen Augen an. »Du musst bei mir sitzen, bis Kianna sagt, dass es an der Zeit ist. Dann sollst du an Deck gehen und dort warten.«
Bran strich ihr mit dem Tuch über den Hals. Sie hatte nasse Haare. Er konnte sehen, dass sie Schmerzen hatte – die Falten an ihren Augen verrieten ihm das ebenso wie die angespannten Halsmuskeln. Und in diesem Moment verstand er zum ersten Mal, was die Skalden meinten, wenn sie von Liebe sangen. Tir litt für ihn, wie er für sie leiden würde. Sie litt für das Kind. Für sie beide. Und er liebte sie dafür.
Lange Zeit saß Bran bei Tir. Während die Frauen Wasser heiß machten und Leinenlappen auskochten, hielt er sie und tröstete sie, wenn die Wehen ihren Körper schüttelten. Kianna sagte nur wenig, doch Bran sah, dass sie wartete. Sie zählte mit den Fingern, wenn die Wehen kamen, und legte die ausgekochten Lappen über die Sehnen, die zwischen den Balken gespannt worden waren. Bran erzählte von den Wracks und den Türmen und wie die Kinlender das Schiff über die Schären gesteuert hatten. Er sagte, sie seien Freunde, obgleich der Krieger in ihm noch immer misstrauisch war.
Der Lichtkegel unter der Luke war schwächer geworden, als Tir die Augen aufriss und ihn mit einem merkwürdigen Lächeln ansah. Die Wehen kamen jetzt öfter und heftiger, und sie war erschöpft.
»Was ist los?« Bran führte ihre Hand an seine Wange.
Tir antwortete nicht, sondern schloss die Augen und ließ sich in seinen Schoß fallen. Kianna hockte sich neben ihr auf die Knie. Sie schlug Tirs Rock hoch und streichelte ihr über den Bauch. »Das Wasser geht ab«, sagte sie. »Jetzt geht die Geburt los.«
Plötzlich krallte Tir ihre Nägel in seine Hand. Sie rang nach Atem und schrie, und Bran hatte Angst, denn das hatte sie bisher noch nicht getan. Er legte seine Hände auf ihre Schultern. Kianna stand auf und nahm die Leinentücher von den Sehnen. Jetzt kamen die Frauen zu ihnen und umringten sie.
»Du musst gehen«, flüsterte Tir. »Geh an Deck.«
Bran beugte sich über sie. Er legte seine Wange an ihren Hals und ließ seine Stirn auf ihrer verschwitzten, mageren Schulter ruhen. Er wollte sie nicht verlassen. Er betete zu den Namenlosen, denn er wusste, dass diese manchmal das Leben der Frauen im Tausch gegen das der Kinder einforderten.
Tir schrie. Der Schrei ging über in schmerzvolles Schluchzen. Kianna begann leise und rhythmisch zu singen. Tir schluchzte, ehe sie erneut aufheulte. Bran lag mit dem Gesicht an ihrem Hals. Er spürte, wie ihr Körper kämpfte, und die Schreie forderten den Schmerz hinter seiner Stirn heraus. Er biss über
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