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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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wollte. Und als die Schreie endlich aufhörten, näherten sich die Männer langsam der Luke. Bran wollte zu ihr nach unten klettern, denn er wusste nicht, ob diese plötzliche Stille ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Doch Dielan hielt ihn am Arm zurück. »Bald«, sagte er. »Das Letzte kommt noch.«
    Bran riss sich von ihm los. Das erste graue Morgenlicht schien über die sanften Wellen und die Sonne erhob sich langsam über den schwarzen Gürtel des Sturmrands. Und in diesem Moment, in dem die Speere des Lichts die Nacht vertrieben und dem Meer einen neuen Tag schenkten, hörte er sie erneut. Bran brüllte vor Verzweiflung. Er spürte Dielans Arme um sich und hörte einzig ihre Stimme. Zweimal heulte sie auf, ehe wieder Stille eintrat. Bran rieb sich seine tränennassen Augen. Die Männer standen wie erstarrt da und stierten die Luke an. Niemand sagte ein Wort.
    Da hörte er es. Ein Kieksen, wie das Jammern eines Fuchswelpen. Dann ging das Kieksen in ein Weinen über, bevor der Schrei eines Säuglings die Stimmen der Frauen übertönte. Die Männer klopften ihm auf den Rücken und lachten. Turvi ließ seine Krücke fallen und kroch zur Luke. Bran trat vor und blickte in das Halbdunkel unter Deck. Er hörte sein eigenes Keuchen durch die unzähligen Stimmen. Gwen kam zur Luke. Sie hatte nasse Ärmel und ihre Hände waren blutig. Sie sagte ihm etwas, aber er hörte es nicht, doch er sah die Freude in ihren Augen.
    Bran kletterte die Treppe hinunter und folgte Gwen an den Ruderbänken vorbei. Der Vorhang vor dem Bugraum wurde zur Seite geschlagen. Linvi reichte Gwen ihren Arm und half ihr über den Querbalken. Nari, Niana und Eyna kamen hinter Linvi zum Vorschein. »Bran kommt.« Die Frauen flüsterten. »Macht Platz für ihn. Narien, räum die Lappen weg…« Dann wandte Linvi sich wieder an ihn. »Du brauchst nicht da stehen zu bleiben, Bran. Du kannst jetzt hereinkommen.«
    Er stieg über den Querbalken. Es roch seltsam, wie das Blut von Tiereingeweiden, nur süßer. Er blinzelte in die Flammen der Talglichter und spürte die Hände der Frauen auf seinem Rücken. Er sah sie. Er sah das Kind. Tir lag auf den Fellen. Sie war nackt und Kianna wusch ihre Beine mit dampfendem Wasser. Tir hielt ihre Hände über den Rücken des kleinen Geschöpfs.
    »Bran…« Sie lächelte ihn an. »Wir haben einen Sohn bekommen.«
    Bran kniete neben ihr nieder. Sie drehte das Kind vorsichtig um. Es war von gräulichem Schleim bedeckt, und seine Haut war blass. Der Junge hatte die Augen zusammengekniffen, doch die kleinen Hände öffneten und schlossen sich, als suchte er nach etwas, das er festhalten konnte. Bran berührte die weiche Handfläche. Da umklammerte der Junge seinen Zeigefinger. Ein merkwürdiges Gefühl stieg in ihm empor. Er hatte feuchte Augen, war aber dennoch voller Freude. Plötzlich öffnete das Kind die Augen. Es sah ihn verwundert an, ehe es den Finger losließ und zu weinen begann. Die Frauen lachten, und Tir legte das Kind auf ihre Brust.
    »Du hast ihn erschreckt.« Linvi hockte sich auf der anderen Seite von Tir hin und sah ihn neckend an. Sie streichelte dem Kind über die dunklen Haare. »Was für ein schöner kleiner Junge, Bran. Und so lange Haare.«
    Die Frauen schoben Tir ein zusammengerolltes Fell unter den Nacken, so dass sie sehen konnte, was um sie herum vorging. Kianna hob den Jungen hoch und hielt ihn, während Linvi und Gwen ihn wuschen. Da schrie er wie ein hilfloser kleiner Welpe, der von seiner Mutter getrennt wurde.
    Bran blieb bei Tir, während die Frauen den Säugling wuschen. Dann wickelten sie ein sauberes Leinenlaken um das Kind und legten es wieder in ihre Arme. Tir legte das Kind an die Brust und es begann zu saugen.
    »Er weiß sich seinen Teil zu sichern«, sagte Linvi und nickte. »Nicht alle Kinder verstehen das sofort.«
    Bran kratzte sich im Nacken. Der Junge streckte einen Arm aus dem Tuch und Tir küsste die kleinen Finger.
    »Er hat deine Augen«, sagte sie.
    Bran streichelte ihr über die Stirn. Er presste seine Lippen auf ihre Haut, und sie weinte an seinem Hals. Sie war müde, er konnte das an ihrem Schluchzen erkennen. Er spürte es an ihrem ganzen Körper. Eine Weile blieb er einfach so sitzen, denn er lauschte ihrem Atem und dankte den Namenlosen, dass sie ihm ein Kind geschenkt und seine Frau am Leben gelassen hatten.
    »Willst du ihn halten?« Sie flüsterte in sein Ohr. Er nickte, noch immer die Stirn an ihrem Hals. Dann richtete er sich auf, und Tir streckte

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